Kohlschreiber: "Alles, was ich jetzt sage, ist Gift"
MÜNCHEN - Bevor Philipp Kohlschreiber nach dem Achtelfinal-Aus bei den US Open in den Flieger stieg, schickte er ein paar Sätze voraus. "Was ich gesagt habe, da gibt es nichts zu bedauern“, sagte er dem unausgesprochenen Adressaten: Patrik Kühnen.
Kann Kohlschreiber sich mit ihm eine Zukunft im Davis-Cup-Team vorstellen? "Das werde ich beantworten, wenn es an der Zeit ist. Alles, was ich jetzt sage, ist Gift. Ich hätte gerne geholfen, will jetzt keine Unruhe mehr reinbringen. Die Jungs können keine Nebenschauplätze gebrauchen.“
Wohl wahr. In einer Woche spielt das Team in Hamburg gegen Australien gegen den Abstieg aus der Weltgruppe, ohne Kohlschreiber. 16 Einzel hat der 28-Jährige seit 2007 für Team Germany bestritten. Wie viele Spiele noch dazu kommen, ist fraglich. Kühnen sagt: "Es wird schwer ohne Haas und Kohlschreiber, aber wir haben ein gutes Team. Ich bin zuversichtlich.“
Der Kühnen-Kohlschreiber-Streit wird über dem Spiel liegen. Im Gespräch mit der AZ rekapituliert der Teamchef nochmal: "Mit Philipp hatte ich am Sonntagabend vor den US Open noch ein Gespräch. Danach war ich davon ausgegangen, dass wir als geschlossenes Team in Hamburg antreten. Doch danach hat er zu meiner großen Überraschung vor der Presse das Team in ein schlechtes Licht gerückt."
"Ich habe mich nach seinem Zweitrunden-Match am spielfreien Tag nochmal um ein Gespräch bemüht, aber er hat mich nur an seinen Manager verwiesen. Der wäre zu diesem oder jenem Zeitpunkt auf der Anlage. Das ist nicht zu akzeptieren! Ich muss die Möglichkeit haben, mit meinem Spieler zu sprechen! Für mich war die Grenze damit überschritten", sagt der Teamchef.
Kühnens Entscheidung gegen Kohlschreiber war so auch für den Deutschen Tennis Bund (DTB) nachvollziehbar. "Kühnen hat es sich alles andere als leicht gemacht“, sagte DTB-Präsident Karl-Georg Altenburg: "Das Präsidium steht voll und ganz hinter der Nominierung.“
Der 46-jährige Kühnen ist seit neun Jahren Davis-Cup-Kapitän. Als Doppel-Spezialist gewann er drei Mal den Davis Cup. Sein Mantra: Teamgeist. "Der ist maßgeblich. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kräfte nur frei werden, wenn ein Team geschlossen als Einheit auftritt. Um sein Land im Davis Cup zu vertreten, genügt es nicht, ein guter Spieler zu sein. Dazu gehört mehr.“
Erklären kann sich Kühnen Kohlschreibers Verhalten nicht: "Er hat die letzten Jahre im Davis Cup gut gespielt. Bisher gab es auch nie Probleme.“ Seit knapp einem Jahr trainiert Kohlschreiber wieder am Stützpunkt in Oberhaching, wird von Stephan Fehske gemanagt.
In der Weltrangliste ging es nach oben, nur die Stimmung im DTB-Team ist verhagelt. "Ich habe kein grundsätzliches Problem mit Philipp“, sagt Kühnen, "ich bin gesprächsbereit. Es ist an ihm, das Angebot anzunehmen. Offenbar bestehen von seiner Seite noch Differenzen.“
Nun hat sich auch noch Kühnens Ex-Doppel-Partner Boris Becker als Vermittler angeboten: "Eine traurige Geschichte, dass wir es nicht schaffen, unsere besten Spieler zu überzeugen, Davis Cup und Olympia zu spielen oder spielen zu wollen. Vielleicht sollten sich beide Seiten im Oktober mit ein bisschen Abstand auf ein Bier treffen und alles in Ruhe besprechen.“
Falls Altenburg ihn als Schlichter auswählen würde, wäre der 44-Jährige gesprächsbereit. "Dann“, sagte Becker, "würde ich es mir überlegen“. Zeit genug ist jedenfalls: Die nächste Davis-Cup-Partie findet erst im Frühjahr 2013 statt.
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