Körbe für den alten Klassenfeind
Weil Betty Hammon nicht mit den USA nach Peking durfte, wirft sie ihre Körbe jetzt für den alten Klassenfeind Russland.
PEKING Als Becky Hammon vor ein paar Tagen in Haining die amerikanische Nationalhymne hörte, war eigentlich alles wie immer: Sie schloss ihre Augen, legte die rechte Hand aufs Herz und sang den Text mit. Doch die patriotische Anwandlung hatte einen kleinen Schönheitsfehler: Hammon (31) trug, als die Hymne erklang, einen roten Trainingsanzug mit einem großem Stern drauf, einen Trainingsanzug mit den dicken versalen Lettern „Russia“.
Hammon stammt aus South Dakota und ist jahrelang als eine der Spitzenspielerinnen in der amerikanischen Profiliga WNBA auf Korbjagd gegangen. Jetzt aber spielt sie für Russland, für den alten Klassenfeind. „Mein großer Traum als Kind war, eine Goldmedaille für die Vereinigten Staaten zu holen“, sagt Hammon, „aber ich bin jedes Mal bei der Nominierung durchgefallen. Deswegen habe ich eine neue Chance wahrgenommen.“
Was so lapidar klingt, ist in Wiklichkeit ziemlich prekär. Hammon ist wohl die extremste Grenzgängerin in den modernen Wechsel-Spielchen, in denen fürs olympische Dabeisein die Nationalitäten wie auf einer Tauschbörse gehandelt werden. „Dass ich für Rußland spiele, ist für manche Leute so was wie ein Weltuntergang", sagt Hammon. Tatsächlich nannte sie zuletzt nicht nur Anne Donovan, die Nationaltrainerin der US-Basketballerinnen, jene Frau also, die Hammon nie nominierte, „unpatriotisch.“
Hammon lässt das kalt. „Wir sind doch nicht mehr in einem Krieg. Es ist Sport, ein Spiel – mehr nicht". Sie habe „einfach nur meine letzte Möglichkeit“ nutzen wollen. „Und da mir Amerika keine Chance gegeben hat, versuche ich jetzt mit Rußland mein Glück", sagt sie mit einem etwas gequälten Lächeln.
Russland sei schließlich im Sport nicht mehr das Russland von früher. „Damals ging es in den Spielen zwischen Amerika und den Russen um Leben oder Tod“, sagt Hammon, „aber das sind doch alte Kamellen.“
Im Frühjahr 2007 war Hammon bei der Vorauswahl für das amerikanische Basketballteam ein weiteres Mal nicht berücksichtigt worden. Obwohl sie in der Profiliga Platz zwei im Kampf um den Titel der wertvollsten Spielerin eroberte, fehlte sie im Kader für Peking. Im letzten Winter unternahm Hammon dann einen folgenreichen Abstecher in die russische Basketball-Liga zu ZSKA Moskau. Ihr Trainer dort war Igor Grudin, der auch Coach der Nationalauswahl ist. Und der fragte schon nach ein paar erfolgreichen Matches bei der Neuen an, ob sie nicht auch Interesse habe, in Peking für Rußland zu spielen. Sie sagte zu.
Und plötzlich begannen die Amerikaner sich für sie zu interessieren. Fast alle großen Blätter haben sich mit ihr beschäftigt, mit dem geplatzten amerikanischen Traum und dem Start für Rußland: „Es ist schon ein Wahnsinn, wie heftig die Medien und manche Menschen reagiert haben“, sagt sie.
Anfang April erhielt sie ihren russischen Paß, aber Russisch sprechen fällt ihr ungefähr so schwer wie dem fix eingebürgerten Chris Kamann das Deutsch. Immer wieder ist sie von den amerikanischen Reportern in den letzten Wochen gefragt worden, was passiere, wenn sie in den letzten Sekunden des Finales zwischen Russland und den USA den Ball in den Händen halten würde - zum entscheidenden Wurf um Gold. „Da habe einige gedacht, ich würde sagen: Den werfe ich vorbei“, sagt Hammon, „aber dann hätte ich ja nie diesen Weg gehen brauchen.“
Jörg Allmeroth
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