Königin oder Aschenputtel: Der Chef sorgt sich um Maria
Vor dem Weltcup-Finale spricht Alpindirektor Wolfgang Maier von „medialer Entblößung“ bei Ski-Star Riesch:„Man muss sich nicht immer zum Affen machen“
AZ: Herr Maier, bei unserem Gespräch zu Saisonbeginn im Oktober verglichen Sie den alpinen Skisport mit einem einst schwerkranken Patienten, der auf dem Weg der Besserung sei und immerhin schon wieder auf einem Bein humpeln kann. Wie geht es dem Rekonvaleszenten jetzt am Ende der Saison?
WOLFGANG MAIER: Besser. Durch die Erfolge bei den Frauen können wir jetzt noch ein Stück aufrechter gehen. Komplett genesen sind wir nicht, und wir brauchen nicht meinen, dass wir schon über den Berg sind, denn mit der Männer-Abteilung haben wir immer noch ein lahmendes Bein.
Das ziehen Sie schon seit Jahren hinter sich her. Waren Sie enttäuscht, dass der Heilungsprozess da so schleppend voran ging?
Nein, ich war immer Realist und wusste, dass uns im Moment da die Substanz fehlt. Schauen Sie doch rein, was wir in der ersten Leistungsgruppe haben. Drei, vier Leute, von denen nur der Felix Neureuther im Slalom vorne reinfahren kann. Daher versuchen wir, das System zu reformieren. Früher anzufangen, nicht erst bei den 18-, 19-Jährigen. Das war eine Depperlstrategie, die sie die letzten 20 Jahre versucht haben. Das hat nix gebracht. Jetzt müssen wir die Weichen stellen für die Zukunft, vor allem müssen wir schauen, dass wir die jungen Talente, die wie fördern, dann auch einmal bis zu den Großen durchbringen, dass sie uns nicht wegbrechen. Bei den Frauen funktioniert das ja viel besser.
Zu sehen am Triumph in Val d’Isere und den beiden WM-Titeln durch Kathrin Hölzl und Maria Riesch. Welche Goldmedaille stufen Sie höher ein?
Ich will nicht werten, aber die von der Hölzl war entscheidender. Das war ein Befreiungsschlag, wie ich ihn selten erlebt habe. Ich bin mir nicht sicher, ob ohne Kathis Titel die Maria zwei Tage später auch im Slalom gewonnen hätte. Der ganze Druck war auf einmal weg, dass der Verband eine Medaille holen muss. Die Angst war weg, dass man nach der Rückkehr daheim eingetütet wird. Die Hölzl war der Türöffner für die Maria. Was ich nur überhaupt nicht kapiert habe, war, mit welcher Blindheit manche Medien durch die Gegend gelaufen sind und nur das Gold von der Maria gefeiert haben. Aber es ist einmal so, dass sie öffentlich anders wahrgenommen wird als eine Kathi Hölzl.
Auch deswegen, weil sich Riesch gut verkauft. Sie ist extrovertiert, steht gerne im Rampenlicht. Hölzl ist ja eher ruhiger, zurückgezogener.
Die Maria hat einen Charme mitbekommen, eine Art, gut mit der Öffentlichkeit zu können. Mir persönlich ist das manchmal zuviel. Sie stellt sich in den Fokus und nicht den Skisport. Ich weiß nicht, ob man sich medial immer so entblößen muss. Das Problem ist, je mehr du bei Erfolgen abgefeiert wirst, desto mehr wirst du vernichtet, wenn’s nicht läuft. Die defensive Art von der Hölzl liegt mir da viel mehr.
Maria Riesch ist das schillernde Gegenteil einer Katja Seizinger, die oft spröde wirkte.
Gut, dass Sie das ansprechen. Die Katja hat solche Dinge wie bei der Maria extrem vermieden, zu sagen, welcher Ring an welchem Finger und welches Ketterl von wem ist. Und als sie die Karriere beendet hat, hat sie von allen Journalisten eine fette Breitseite an Respekt bekommen. Weil es sich ausgezahlt hat, nicht immer jedem ein Interview zu geben. Man muss sich nicht immer zum Affen zu machen.
Eine schwere Gratwanderung, schließlich profitieren Sie als Skiverband von den Erfolgen, aber auch von dem selbstbewussten und offensiven Auftreten einer Maria Riesch. Dank ihr kommt Skifahren wieder gut an in der Öffentlichkeit, es gibt auch wieder mehr Präsenz im Fernsehen.
Natürlich. Und ich sage ja auch nicht, sie soll sich einsperren und anziehen wie Aschenputtel. Sie soll sich nur ein persönliches Rückzugsgebiet schaffen. Sie muss ja nicht wie so oft in Val d’Isère nach dem Rennen 23-mal der Meute erzählen, warum es schlecht gelaufen ist. Und wenn sie zum Hotel geht, dann sagt sie es zum 24. Mal.
Und am besten soll sie dann noch etwas über ihre Freundin Lindsey Vonn sagen.
Mein Gott, ich habe da jetzt am Montag mit der Maria darüber gesprochen. Die sagt auch, dass sie diese Geschichte in diesem Winter im Fernsehen ja total überbewertet haben. Ja, die Maria kommt mit der Lindsey gut aus, ja, sie verbringen manche Tage zusammen, feiern miteinander Weihnachten, aber sonst hat doch jeder sein eigenes Umfeld. Medial ist das mit der besten Freundin eine geile Story, aber letztendlich Quatsch. Uns als Verantwortliche stört das alles nicht weiter, wichtig ist einfach nur, dass die Maria einfach auch nächste Saison weiter guten Sport bringt.
Diese Saison ist nun am Wochenende vorbei, worauf Freude Sie sich denn, wenn’s jetzt eine Zeit lang nicht mehr ums Skifahren geht?
Auf den FC Bayern. Die sollen gleich einmal einen Stapel Karten herrichten für mich. Gegen Stuttgart am letzten Spieltag will ich auf jeden Fall raus nach Fröttmaning. Den Mathias Berthold (Frauentrainer, d. Red.) nehme ich auch mit. Nur werde ich da wieder was zu hören kriegen, wenn die Bayern verlieren.
Aha. Berthold, der Vorarlberger, ist also Stuttgart-Fan?
Nein. Aber er ist beim Fußball immer in Opposition zu mir. Grundsätzlich. Macht er mit Fleiß. Er ist jedesmal der Erste, der mir zujubelt, wenn die Bayern verloren haben. Ich hoffe, die Freude vergeht ihm in den nächsten Wochen. Und bei unseren Alpinen hoffe ich, dass die Männer ihre Hausaufgaben machen, dass sie sich bewusst werden, was Spitzensport ist. Was sie tun müssen, um nach oben zu kommen.
Dann wäre Ihr Humpelbein kuriert.
Ja. So können wir im Moment ganz gut gehen. Wäre schön, wenn wir bald auch wieder springen können, wobei ich davor warne, komplett abzuheben. Den Boden unter den Füßen sollten wir nie verlieren.
Interview: Florian Kinast