Klitschkos Schweißarbeit

Der Ex-Champion, inzwischen 37, bereitet sich im Stanglwirt in Going auf den WM-Kampf gegen Samuel Peter im Oktober vor. Trainer Fritz Sdunek verrät in der AZ, warum er seinen Schützling nie loben darf.
GOING Der Hüne reißt sich sein T-Shirt vom muskelbepackten Körper und wringt es über einer Mülltonne aus. Es pladdert nur so in die Tonne. „Das sind zwei Liter purer Schweiß“, sagt Fritz Sdunek, der seinen Schützling Vitali Klitschko eben durch ein Zwei-Stunden-Training getrieben hat. „Ohne Fleiß kein Preis“, sagt Klitschko und fügt süffisant hinzu: „Und ohne Schweiß erst recht kein Preis.“
Der 37-Jährige will sich den Hauptpreis sichern. Am 11. Oktober fordert der Ex-Weltmeister den WBC-Champion Samuel Peter heraus. An diesem Abend kann Klitschko doppelte Box-Geschichte schreiben. Er, der von 1999 bis 2000 und von 2003 bis 2005 Champion war, kann nach Muhammad Ali, Evander Holyfield, Michael Moorer und Lennox Lewis der fünfte Schwergewichtler sein, der sich den WM-Gürtel zum dritten Mal holt. Und er kann zusammen mit Bruder Wladimir, dem Champion der Verbände IBF und WBO, als erstes Brüderpaar der Welt gleichzeitig Weltmeister der schweren Jungs sein.
„Davon träumen wir seit zwölf Jahren“, sagt Klitschko, „aber irgendwie haben wir es nie geschafft. Wenn ich Champion war, hatte Wladimir keinen Titel und umgekehrt. Das war wie ein Fluch.“
Den will Klitschko nun brechen. Dafür schuftet er jeden Tag im Trainingslager beim „Stanglwirt“ in Going. „Das Ambiente ist perfekt. Ich schlafe hier wie ein Baby. Riechen Sie nur diese Luft, schmecken Sie dieses Wasser. Das ist legales Doping“, sagt Klitschko, „selbst wenn ich mürrisch aufwachen sollte, schaue ich nur aus dem Fenster auf den Wilden Kaiser und bin für den Rest des Tages energisiert.“
Der Tag beginnt um 6.30 Uhr. Da klingelt das Telefon bei Klitschko. Der persönliche Weckdienst von Sdunek. „So kriege ich gleich einen Eindruck, wie er drauf ist“, erzählt Sdunek, den Klitschko in solchen Momenten gerne „Mutter Fritz“ nennt. „Dabei tut er alles, um mich zu quälen“, sagt Klitschko.
Dieses Mal setzt Sdunek auf Wasserfolter: Weniger Läufe, die zu sehr den Rücken belasten (vor einem Jahr vermasselte ihm ein Bandscheibenvorfall den Comeback-Kampf in München), sondern viel Schwimmen und Boxen unter Wasser. „Das schont den Rücken“, sagt Physiotherapeut Matthias Banger, der sonst die U19 des VfB Stuttgart betreut. „Vitalis Schnellkraft ist phänomenal.“ Das beweist Klitschko beim Sparring, als er Sherman Williams, Leonardo Nolan und Mario Peskar immer wieder die Faust an den Kopf donnert. „Das ist schmerzhafter als ein Kater nach der Wiesn“, sagt Williams.
Der Ring ist aber auch ein Debattierklub. „Fritz, das haben wir noch nie gemacht“, sagt Klitschko bei einer neuen Übung und verzieht das Gesicht. „Ja, aber wenn du das gegen Lennox Lewis gemacht hättest, hättest du den Kampf gewonnen“, kontert Sdunek in Anspielung auf Vitalis legendäre Ringschlacht im Jahre 2003, als Klitschko den Champion am Rande des K.o. hatte, dann aber der Ringrichter den Fight wegen Klitschkos horrender Cutverletzungen stoppte.
Sdunek: „Vitali muss immer überzeugt werden. Er hasst auch nichts mehr als Lob, er will immer nur Kritik hören.“ Zwei Stunden wird trainiert und kritisiert, ehe Klitschko die Boxhandschuhe ablegt und Sdunek ihn das erste Mal lobt. „Wenn du so weiter machst, knockst du Peter aus“, sagt der Coach während er Klitschko die Hand-Bandagen aufschneidet. „Wir haben mal ausgerechnet, dass wir in meiner Karriere etwa 200 Kilometer Tapeband verbraten haben“, sagt Klitschko.
Und wie viel Schweiß hat er in den zwölf Profijahren vergossen? „Für einen kleinen See müsste es reichen“, sagt Klitschko und wringt nochmal sein Shirt aus.
Matthias Kerber