„Klitschkos bösartige Ader“

Vor dem WM-Kampf Ende März hat Trainer Steward „Überaggressivität“ beim Box-Champion ausgemacht. Doch Wladimir beruhigt den Coach:„Ich werde im Ring mit kaltem Herzen agieren.“
von  Abendzeitung
Verrteidigt seinen Titel am 20. März in der Arena in Düsseldorf gegen Eddie Chambers: Weltmeister Wladmir Klitschko.
Verrteidigt seinen Titel am 20. März in der Arena in Düsseldorf gegen Eddie Chambers: Weltmeister Wladmir Klitschko. © ap

Vor dem WM-Kampf Ende März hat Trainer Steward „Überaggressivität“ beim Box-Champion ausgemacht. Doch Wladimir beruhigt den Coach:„Ich werde im Ring mit kaltem Herzen agieren.“

GOING Wladimir Klitschko griff selbst zur Schere. Der Box-Weltmeister der Verbände IBO, IBF und WBO, übrigens ein begeisterter Hausmann und Hemden-Bügler, trennt vor dem Sparring im Trainingslager die Ärmel an seinem T-Shirt heraus. Das Ziel: Mehr Bewegungsfreiheit für die muskelbepackten Oberarme. Beim Stanglwirt im malerischen Going holt sich der 33-Jährige den letzten Schliff für seinen nächsten WM-Kampf. Am 20.März trifft er in der Düsseldorfer Esprit Arena vor 50000 Fans auf Pflichtherausforderer „Fast“ Eddie Chambers aus den USA.

Ärmellos steigt Klitschko in den eigens für ihn aufgebauten Ring – und dort findet die Metamorphose statt. Aus dem außerhalb des Seilgevierts stets netten, freundlichen Mann wird ein gnadenloser Fighter. „Wladimir hat tief in sich drin eine bösartige Ader, die lebt er im Ring aus. Früher war sie versteckter, doch diese Zeiten sind vorbei“, sagt Emanuel Steward, die amerikanische Trainer-Legende, die Klitschko seit 2003 betreut.

Dass diese bösartige Ader auch offen ausgelebt wird, bekommen Klitschkos Sparringspartner derzeit schmerzhaft zu spüren – erst Schwergewichtshoffnung Johnathon Banks, dann Olympionike Michael Hunter. Immer wieder donnert Klitschko seine Eisenfäuste an Köpfe und Körper der zwei US-Amerikaner. Klitschko geht dabei derart kompromisslos vor, dass Steward das Training nach vier statt der geplanten acht Runden abbricht. „Wladimir war überaggressiv. Im Sparring macht das keinen Sinn. Wir können nicht unsere Boxer an einem Tag verschleißen“, so Steward. Wir haben ja eher kleine, schnellere Gegner gewählt, um Chambers' herausragende Geschwindigkeit zu simulieren. Aber Wladimir ist derart physisch überlegen, dass es gefährlich wird. Gestern hat er schon einen mit einem Körpertreffer ausgeknockt", sagt Steward – und fügt dennoch mit einem Lächeln hinzu: „Wir wollen hier boxen und keine Körperverletzung sehen. Ich musste eingreifen."

Der Hintergrund: Fast ein Jahr hatte Klitschko nicht im Ring gestanden. Diese lange Pause hat ihn rastlos werden lassen. „Ich will endlich wieder boxen", sagt er jetzt, „das hat mir gefehlt." Ein Sehnenriss in der linken Schulter, erlitten schon vor dem Fight gegen Ruslan Chagaev in der Schalker Arena, hatte ihn zu einer Operation gezwungen. Es folgte eine lange Reha-Pause. „Vielleicht ist er so aggressiv, weil er so lange niemand mehr vor die Fäuste bekommen hat", glaubt Steward.

Am 20. März soll nun Chambers diese Fäuste zu spüren bekommen. Steward hat vor dem US-Amerikaner großen Respekt. Nicht umsonst hat Chambers in seinem letzten Kampf Klitschkos Landsmann Alexander Dimitrenko, der von Wladimirs Ex-Coach Fritz Sdunek betreut wurde, derart verprügelt, dass dessen Ruf als Boxer permanent geschädigt sein dürfte.

„Chambers hat die vielleicht beste Defensive aller Boxer, die Wladimir je gegenüberstanden. Wladimir wird viel Druck machen, aber gleichzeitig die Balance finden müssen, dabei nicht zu übertreiben“, sagt Steward und denkt dabei offensichtlich an das aktuelle, überaggressive Sparring Klitschkos. Doch für den Fight verspricht der Ukrainer: „Ich werde im Ring mit kaltem Herzen agieren." Und dennoch mit bösartiger Ader.

Matthias Kerber

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