Klitschko vs Powetkin: Machtkampf in Moskau

Der WM-Fight zwischen Alexander Powetkin und Wladimir Klitschko ist weit mehr als ein normaler Titelkampf im Boxen. Es geht auch um Politik und die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine.
Moskau Ein verfallenes Lagerhaus, zwei Stühle, ein Tisch. Zwei Männer sitzen sich gegenüber, starren sich an. Eine Deckenlampe strahlt die Gesichter an. Mit dieser Szene, an ein Verhör durch den ehemaligen sowjetischen Geheimdienst KGB erinnernd (dem der jetzige russische Präsident Wladimir Putin angehört hat), wirbt Fernsehsender RTL für den „Machtkampf in Moskau”, den WM-Kampf am Samstag (21.30 Uhr) zwischen dem Ukrainer Wladimir Klitschko und dem Russen Alexander Powetkin. Es ist nicht nur ein WM-Kampf zweier Olympiasieger, es geht um sehr viel mehr.
POLITIK: Die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine sind seit Jahren angespannt, der Gas-Streit der Nationen eskaliert immer wieder, Russland drehte die Gaslieferungen an die Ukraine ab, die ihre Schulden nicht bezahlt hatte. Wladimirs Bruder Vitali hat in der Ukraine die Partei Udar gegründet, die macht sich für eine Abkehr von Russland und eine Hinwendung zur EU stark. Wladimir unterstützte 2004 die orangene Revolution, als sich die Ukraine dem Westen öffnete. Ansonsten will Klitschko die Politik aus dem Sport raushalten. „Wenn das Ganze als ein Kampf eines Russen gegen einen Ukrainer hochstilisiert wird, hat das einen schlechten politischen Beigeschmack. Meine Mutter ist Russin. Es ist Sport, sollte Sport bleiben.”
Powetkin vertritt seit 2006 die Putin-Partei „Einiges Russland” in Kursk als Abgeordneter. Er trägt ständig T-Shirts, auf denen russische Nationalhelden dargestellt sind. Zuletzt ein Shirt mit dem Spruch von Alexander Newski: „Wer zu uns mit dem Schwert kommt, wird auch durch das Schwert umkommen.” Auf dem Oberarm hat er das Symbol des Heidengottes Svarog eintätowiert. Ein Symbol, das bei russischen Nazis beliebt ist. Seit neuestem hat Powetkin den Schriftzug „Für Russland” samt Sig-Rune an der Hand eintätowiert. Er bezeichnet sich als „Nationalist, weil ich auf meine Heimat und mein Volk stolz bin”. Von Nazis distanziert Powetkin, dessen Kampfname „russischer Ritter” lautet, sich: „Ich stehe diesen Ideologien nicht nahe.”
GELD: Der russische Bau-Mogul Andrey Rabinsky hat die Austragung des Kampfes für die unglaubliche Summe von 23 Millionen Dollar (16 Millionen mehr als das nächste Gebot) ersteigert und so nach Moskau geholt. Es soll ein Auftrag von Putin gewesen sein. Klitschko kassiert davon 17 Millionen, die größte Börse seiner Karriere. Dass der WM-Titel in Russland bleibt, hat sich Putin ausdrücklich für seinen 61. Geburtstag am Montag gewünscht. Das staatliche Ölunternehmen Rosneft tritt als Sponsor auf, deckt die Hälfte der 23 Millionen ab, die teuersten Tickets am Ring kosten etwa 4500 Euro.
DIE VERANSTALTUNG: Da die Klitschkos erstmals seit Jahren ihr Event nicht selber ausrichten, werden ihnen die Bedingungen diktiert. Der Kampf findet um 21.30 Uhr, nicht wie üblich um 23 Uhr statt. Es gibt hinter den Kulissen immer wieder Scharmützel, etwa darüber, wie viele Tickets das Klitschko-Lager erhält. Powetkin-Fans haben angedroht, die Nachtruhe Klitschkos stören zu wollen. Klitschko hat zusätzliche Sicherheitsleute engagiert. „Wir schützen Wladimir bei jedem Schritt”, sagte sein Coach Johnathon Banks der AZ. Schon beim Trainingslager waren erstmals keine Fotos oder Videos vom Sparring zugelassen. Klitschkos Mahlzeiten werden ausschließlich von seinem Koch David Williams zubereitet, der die Waren selber einkauft und die Schneidmesser immer in einem eigenen Safe verschließt, um Giftanschläge zu verhindern.
Um Klitschko aus der Ruhe zu bringen, hat das Powetkin-Lager den britischen Skandalboxer Dereck Chisora ins Team geholt, er wird – den Regeln entsprechend – vor dem Kampf in der Kabine Klitschkos sein, um das tapen der Hände zu begutachten und die Handschuhe zu überprüfen. 2012 hatte Chisora Bruder Vitali bei deren WM-Kampf beim Wiegen geohrfeigt und danach Wladimir im Ring angespuckt. Erst vor einigen Wochen hatte Chisora in einer Disco in Ibiza eine Schlägerei mit Klitschko anzetteln wollen. „Ich bin Psychospielchen gewöhnt”, so Klitschko. Diesmal sind es viel mehr als nur Spielereien.