Klitschko-Niederlage: Pugilisten-Kosmos

Der AZ-Sportchef und Box-Experte über Wladimir Klitschko.
von  Matthias Kerber
„Ich war mir sicher, dass dies hier mein Abend sein würde“, sagt Wladimir Klitschko (l.) über den Kampf gegen Anthony Joshua. Er wurde es nicht.
„Ich war mir sicher, dass dies hier mein Abend sein würde“, sagt Wladimir Klitschko (l.) über den Kampf gegen Anthony Joshua. Er wurde es nicht. © dpa

Was hat sich Wladimir Klitschko im Laufe seiner bislang 27 Jahre währenden Box-Karriere alles anhören müssen: ein Mann ohne Herz, ohne Kinn, ohne Eier. Wenn er trotzdem gewann, kamen die Gelb-vor-Neid-im-Gesicht-Besserwisser bar jeden (Box-)Verstandes in ihrer Heckenschützen-Mentalität hervor und behaupteten, dass Klitschko nur gegen Luschen angetreten sei, dass er im Angesicht echter Gegner den Feigheitsgang eingelegt habe, dass er nur wegen Betrugs gewonnen habe.

Sie alle sollten nach der epischen Box-Schlacht von Wembley Abbitte leisten. Da stand ein Mann im Ring, der gezeigt hat, was für ein Champion, was für eine Ausnahmeerscheinung im Pugilisten-Kosmos er ist.

Vorwürfe der Lügenboxer-Claqueure sind nicht neu. Dem großartigen Joe Louis wurde damals vorgeworfen, dass er nur gegen Fallobst antrete, seine Gegner wurden als „Bum of the month“-Club abgetan – als Loser des Monats. Larry Holmes wurde als dummer Langeweiler verspottet, Lennox Lewis als feiger Zauderer im Ring verunglimpft. Erst nach ihren Rücktritten wurden sie auf das Podest der Box-Ikonen gehoben.

Klitschko gebührt die gleiche Anerkennung. Fast eine Dekade war er Schwergewichts-König, er hat eine Ära geprägt. 69 Kämpfe (davon 29 WM-Fights), 64 Siege, 54 Knockouts – so die Bilanz. Ja, es war nicht die stärkste Epoche des Boxens und er nicht der aufregendste Kämpfer der Geschichte. Aber Klitschko war der Mann, der weit über allen stand, bis er jetzt mit 41 Jahren auf einen Boxer traf, der eine 14 Jahre jüngere Kopie seiner selbst ist. Nur eben schneller, explosiver, unverbrauchter. Klitschko muss niemandem mehr etwas beweisen.

Er muss sich nichts mehr beweisen.

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