Klitschko: "Ich bin gern langweilig"
AZ: Herr Klitschko, am Samstag kämpfen Sie gegen Francesco Pianeta – ein Gegner mit einer ganz besonderen Lebensgeschichte. Er war mit 25 Jahren an Hodenkrebs erkrankt, besiegte die heimtückische Mannschaft und boxt nun gegen Sie um die WM. Wieviel Bewunderung bringen Sie Pianeta entgegen? Ihr Vater verstarb Im Jahre 2011 an Krebs.
WLADIMIR KLITSCHKO: Den Respekt, den ich für Pianeta empfinde, kann ich nur schwer in Worte fassen. Ich weiß, was er durchgemacht hat, was seine Familie durchgemacht hat. Wir haben meinen Vater vier Jahre lang gepflegt. Jemand, der eine solche Situation nie erleben musste, kann unmöglich nachvollziehen, was diese Krankheit einer Familie antut. Im Vergleich zu dem, was Pianeta schon erleben musste, ist ein WM-Kampf gar nichts. Krebs ist viel härter, stärker, heimtückischer, brutaler als ein Box-Kampf je sein kann. Pianeta ist schon ein Sieger im Leben.
Auch Ihr langjähriger Trainer Emanuel Steward erlag Ende 2012 einem Krebsleiden. Wie sehr fehlt er Ihnen?
Wir waren sehr eng; es war für mich als Mensch sehr hart, ihn zu verlieren. Über den Trainer kann ich sagen: Emanuel war ein Genie, wenn es um Taktik und Strategien ging. Er ist immer noch bei uns. Er steckt in jedem Detail. Wenn man sich unsere Trainingshalle anschaut, wie die Fernseher angebracht sind, wo die Uhr steht, der Aufbau – all das ist Emanuel. Man glaubt fast, er würde mit seinem unvergleichlichen Lächeln gleich um die nächste Ecke kommen.
Wenn Sie nur eine Sache benennen dürfen: Was ist die wichtigste Sache, die Sie von Steward gelernt haben?
Die Liebe zum Boxen. Früher habe ich Boxen nicht geliebt, es war etwas, was ich gut konnte – nicht mehr. Es war nicht in meinem Herzen. Emanuel Lebensliebe aber war das Boxen. Und er hat mich infiziert.
Pianeta war 2011 Ihr Sparringspartner. Was hat Steward über ihn gesagt?
Er hat ihm gesagt, du kannst mal Champion werden. Viele tun Pianeta als Fallobst ab. Aber es gibt kein Fallobst. Angeblich war Corrie Sanders auch Fallobst, doch ich war es, der 2003 gefällt am Boden lag. Das wird mir nie wieder passieren. Ich mag Pianeta, aber sein Pech ist, dass er es mit dem besten Schwergewichtler der Welt zu tun hat.
Habe ich gerade richtig gehört? Der beste Schwergewichtler der Welt?
Ja, das bin ich.
Öha, bisher haben Sie immer gesagt, Ihr Bruder Vitali sei der Beste der Welt.
Oh. Wie komme ich da jetzt wieder raus? Okay, Vitali macht ja noch Pause. Bis er wieder im Ring steht, trete ich in seine Fußstapfen und bin der Beste der Welt.
Schön rausgewunden...
Eher wie ein Ausweichmanöver beim Boxen.
Viele Fans beklagen, dass im Schwergewicht Langeweile herrscht, weil die Klitschkos so dominieren.
Matthias, Sie kennen mich doch schon lange. Wissen Sie das nicht: Ich bin gerne langweilig. Denn das heißt, ich habe die Kämpfe dominiert – und damit gewonnen. Am liebste wäre mir, die Kämpfe wären so langweilig, dass ich nie getroffen werde.
Sie sind bei dem Fight im Mannheim ja auch selber Veranstalter. Was hat sich für die Veranstaltung durch die Terroranschläge beim Boston-Marathon geändert?
Wir betreiben bei all unseren Veranstaltungen eine sehr hohen Aufwand, was die Sicherheitsvorkehrungen angeht. Ich bin erschüttert, dass es Menschen gibt, die zu solchen Gräueltaten fähig sind. Terror ist das Krebsgeschwür der Menschheit. Man muss alle Maßnahmen ergriffen, um dieses Geschwür zu entfernen, ohne auf deren Niveau abzusinken. Aber Terror beginnt im Kleinen. Wenn man sieht, dass ein anderer Mensch bedrängt wird, wenn man sieht, dass Ungerechtigkeiten passieren, darf man nicht wegschauen, sondern sollte man dem entgegentreten. Der 11. September hat die Welt verändert. Boston wird die Welt verändern – wir alle müssen sie im Positiven ändern.
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