Klitschko-Gegner Chisora: Ein Millionär in der Gosse
München - Dereck Chisora flätzt demonstrativ gelangweilt in seinem Stuhl, gähnt, spielt an seinem Handy rum. Der Boxer, der am Samstag (22.45 Uhr, RTL live) Weltmeister Vitali Klitschko in der Olympiahalle seinen Gürtel abnehmen will, genießt es zu provozieren. Er kultiviert sein Gangsta-Image. „Klitschko mag ein Doktor sein, aber ich bin die schwarze Pest, für die es keine Heilung gibt“, sagt der 28-Jährige, „er war ein großer Champion, aber das ist lange her. Er hat noch nie gegen einen Mann wie mich gekämpft.“
Damit dürfte der britische Sprücheklopfer sogar recht haben. Die Geschichte des Boxsports ist reich an Fightern, die den Sport nutzten, um sich aus bitterster Armut heraus zu kämpfen. George Foreman, Mike Tyson, Sonny Liston, Jack Johnson, Shannon Briggs, um nur einige zu nennen. Doch Chisora ging den anderen Weg. Vom Millionär in die Gosse. 1983 wurde Dereck in Zimbabwe geboren. Der Fuhrpark des Vaters, einem Multimillionär, bestand aus über 30 Luxusautos, Bedienstete kümmerten sich um Derecks Wohlergehen. Als er 15 war, trennten sich seine Eltern. Dereck zog mit seiner Mutter nach Hampstead Garden, den luxuriösen Londoner Vorort. „Da war ich als Schwarzer natürlich der Außenseiter“, erinnert sich Chisora.
Doch nicht der Luxus, sondern die zwielichtigeren Seiten Londons übten auf den übergewichtigen Jungen einen magischen Reiz aus. Die Halbwelt war das Seine, er beging Straftaten. Und irgendwann verhaftete ihn die Polizei wegen illegalen Waffenbesitzes: Messer, Schlagstöcke, Schlagringe, Schusswaffen wurden bei ihm gefunden. Ihm drohte eine langjährige Haftstrafe, doch der Richter gab ihm noch eine Chance. Ein Bewährungshelfer wurde ihm zugeteilt, der brachte Chisora zum Boxen. Da nahm sich Trainer Johnny Spencer des Großmauls an und verpasste ihm eine Abreibung nach der anderen. „Er war ein Naturtalent als Boxer, aber erst musste er Respekt lernen“, erinnert sich Spencer, „er hat dann sein Verbrecherleben aufgegeben und sich dem Boxsport verschrieben.“
Dieser Sport rettete Chisora, der schon vor den Trümmern seines Lebens stand. „Es hätte nicht mehr lange gedauert, dann hätte ich sicher eine Kugel abbekommen, dann wäre ich in einem Sarg gelandet“, sagt Chisora.
Doch seinem Bad-Boy-Image blieb er stets treu. In Tyson-Manier biss er etwa seinem Gegner Paul Butlin während des Kampfes ins Ohr, er wurde dafür vier Monate gesperrt. Seinem Gegner Carl Baker küsste er beim Staredown auf den Mund. „Ich schwinge eben in beide Richtungen“, sagte Chisora kürzlich zu seiner sexuellen Orientierung.
Chisora lacht viel dieser Tage, doch seine dunkle Seite kann er nicht verheimlichen. Im November 2010 wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er seine damalige Freundin schwer verprügelt hat. „Das Verhalten war beschämend und abstoßend. Sie haben nicht nur Gewalt angewendet, Sie haben die Frau auch noch gedemütigt“, sagte Richter Quentin Purdy in seiner Urteilsbegründung. „Sie haben ein Gewaltproblem. Wenn Sie das nicht in den Griff bekommen, wenn sie sich nicht grundlegend ändern, wird Ihre Karriere ganz schnell vorbei sein, denn dann werden Sie lange Zeit im Gefängnis schmoren.“
Englands Boxlegende Johnny Nelson, Cruisergewichts-Weltmeister von 1999 bis 2006, meinte zur AZ: „Chisora ist verrückt. Er kämpft nicht, weil er muss, sondern weil es ihm Spaß bereitet. Er braucht das Geld nicht. Das macht ihn gefährlich.“
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