KlitschK.O.: Fortsetzung folgt!

Wladimir Klitschko ist gegen Tyson Fury nur ein Schatten seiner selbst und verliert all seine WM-Titel. Der gefallene Box-Held will trotzdem weitermachen – und sagt: „Fortsetzung folgt!“
Matthias Kerber |
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Wladimir Klitschko kurz nach dem Kampf schwer gezeichnet. Dass er einen seiner schlechtesten Kämpfe gezeigt hatte, brauchte ihm Bruder Vitali nicht extra sagen.
dpa Wladimir Klitschko kurz nach dem Kampf schwer gezeichnet. Dass er einen seiner schlechtesten Kämpfe gezeigt hatte, brauchte ihm Bruder Vitali nicht extra sagen.

Düsseldorf Um 0.07 Uhr war sie offiziell beendet, die Regentschaft des Wladimir Klitschko. Neun Jahre, sieben Monate und sechs Tage lang hatte er auf dem Schwergewichts-Thron gesessen und mit seinen Stahlhammer-Fäusten über die Boxwelt geherrscht. Alles Geschichte, alles Vergangenheit. Tyson Fury hatte den Thronsturz zu Düsseldorf vollbracht und Klitschko klar und einstimmig nach Punkten (115:112, 115:112, 116:111) bezwungen.

 

Das Gesicht blutverschmiert, demoralisiert, jeder Magie beraubt

 

So stand Klitschko im Ring, als Michael Buffer den britischen 2,06-Meter-Hünen Fury als neuen König der schweren Jungs ausrief. „Er hat den Sieg verdient – Gratulation!“, erklärte der 39-jährige Wladimir danach, der aber ein Karriereende ausschloss. „Es war nicht mein Abend, aber: Fortsetzung folgt.“ Fury ist laut Vertrag dazu verpflichtet, Klitschko einen Rückkampf zu gewähren. „Es ist ein ungewohntes Gefühl, in der Haut des Nichtsiegers zu stecken“, sagte Klitschko, der zuletzt am 10. April 2004 gegen Lamon Brewster verloren hatte. Es ist für den Ukrainer die insgesamt vierte Ring-Pleite seiner Profi-Karriere (bei 68 Fights).

Zu verlieren ist keine Schande, aber die Art, wie Klitschko unterging, war ernüchternd, ja, erschreckend. Wer nicht schlägt, kann nicht treffen. Wer nicht trifft, kann nicht gewinnen. Eine Therapiestunde hatte Klitschko seinem Gegner verpassen wollen, ihm die „lockeren Schrauben im Kopf“ mit dem Stahlhammer festziehen. Es waren dieses Mal Worte, nichts als Worte. Klitschko fand nie in den Kampf, wirkte gehemmt, fast ängstlich, hatte dem unorthodox boxenden Fury, der die Deckung fallen ließ, der Mätzchen und Faxen machte, der Klitschko mit Worten und Gesten im Ring verhöhnte, nichts entgegenzusetzen. Klitschko, der sich im Vorfeld als Professor des Boxsports bezeichnet hatte, wirkte planlos, ratlos, ideenlos, mutlos. An diesem Abend in Düsseldorf vor 45 000 Zuschauern war Klitschko nur der Schatten seiner selbst, der Schatten des Champions, der er fast eine Dekade war. Fury gewann nicht, weil er so gut war, sondern weil Klitschko so schwach war.

 

Der Fight war eher ein Nichtkampf. Boxerische Klasse? Fehlanzeige

 

Klitschko schlug kaum zu, erst in der letzten Runde drehte er auf. Viel zu spät. Und Fury? Auch er zeigte nicht wirklich viel. Aber er nahm Wladimir geschickt die Möglichkeit, seine Stahlhammer-Rechte einzusetzen, veränderte die Distanz andauernd. „Meines Erachtens hat Fury den Kampf nicht gewonnen, sondern Wladimir hat ihn verloren“, sagte der ehemalige Cruisergewichts-Weltmeister Marco Huck. Und Box-Legende Lennox Lewis meinte: „Wladimir war sehr verkrampft. Emanuel Steward, der uns ja beide trainiert hat, hätte gesagt: Was machst du da? Du bist der Champion, du musst das diktieren, du musst den Kampf dominieren: Du kannst doch nicht immer die gleichen Kombinationen bringen in jedem Kampf.“

Als härtester Kritiker trat nach dem Fight Bruder Vitali auf. „Er hatte keine Technik, keine Kondition – nichts. Von seinem Riesenpotenzial hat er nichts gezeigt. Sehen wir Wladimir noch einmal in Topform? War es ein schlechter Tag? Oder gab es Gründe?“, sagte der Ex-Weltmeister, der 2012 seine Karriere beendet hatte und nun Bürgermeister von Kiew ist, ehe er anfügte: „Die Show geht weiter!“ Das betonte auch der gefallene Box-Held: „Dieser kleine Krieg ist verloren, aber nicht der Krieger Wladimir.“ Wladimirs Verlobte, die Schauspielerin Hayden Panettiere, meinte mit Tränen in den Augen: „Er bleibt mein Champion!“

 

Doch der Champion heißt Tyson Fury

 

Noch im Ring griff er sich ein Mikro, sang seiner Frau Paris den Aerosmith-Hit „I Don’t Wanna Miss A Thing“ ziemlich schräg als Liebesständchen. Am Freitag hatte sie ihrem Tyson eröffnet, dass sie das dritte Kind erwartet. Der Brite, der vor dem Fight als Dauerpöbler aufgetreten war, war danach voll des Lobes für Wladimir. „Das war meine Nacht. Meine Nacht! Wenn ich ein nur halb so guter Champion werde wie Klitschko, bin ich sehr, sehr glücklich. Gott hat mir diesen Sieg geschenkt.“ Doch Bruder Vitali eröffnete gleich das Ballyhoo für den Rückkampf: „Du bist ein verdienter Champion – heute. . .“ So eine Vorlage lässt sich Fury nicht entgehen: „Wladimir bekommt eine zweite Runde.“ Dann imitierte der Showman die Ring-Glocke: „Dingdingdingdingdingding!“

Hat das letzte Ring-Stündlein für Klitschko, der das Schwergewicht so lange eindrucksvoll dominiert hat, geschlagen?   

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