"Klitschko dominiert nach Belieben!"

James Ali Bashir arbeitet seit 2004 mit Klitschko zusammen. Hier erklärt der routinierte Trainer, warum er nicht Headcoach des Ukrainers wurde – und was er bei Ali und von seiner Mutter gelernt hat
Matthias Kerber |
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AZ: Herr Bashir, Sie waren fast 20 Jahre die rechte Hand von Trainerlegende Emanuel Steward, der vor zwei Wochen im Alter von 68 Jahren verstorben ist, seit 2004 betreuten Sie beide Wladimir Klitschko. Warum sind Sie im Kampf gegen Mariusz Wach, den Sie ja sehr gut kennen, nicht der neue Cheftrainer?

JAMES ALI BASHIR: Wladimir hat das so entschieden. Und ich habe mit der Entscheidung keine Probleme. Er ist der Boss, er steigt in den Ring und er muss sich dort so wohl wie möglich führen.

Wladimir ernannte seinen Sparringspartner Johnathon Banks zum Headcoach, der bisher noch nie als Trainer gearbeitet hat. Ein Nachteil?

Nein, Wladimir hat acht Jahre von Steward, dem Großartigsten des Boxsports, gelernt. Er dominiert das Schwergewicht nach Belieben. Auch Banks hat diese Schule durchlaufen. Ich arbeite seit 16 Jahren mit Banks, er hat alles, was ein guter Trainer braucht. Außerdem gibt es Boxer, die sind so gut, dass es fast egal ist, wer sie trainiert. Wladimir ist so einer, den könnte auch ein Schuhverkäufer betreuen, kein Problem. Das ist aber kein Angriff auf Banks, sondern nur ein Statement, wie gut Wladimir ist. Ich respektiere die Entscheidung. Ich komme aus einer Ära, als die Trainer das Selbstverständnis hatten, dass nicht sie selber die Stars sind. Heute gibt es zu viele Designer-Trainer!

Designer-Trainer?

Typen, die sich eine abgedrehte Brille aufsetzen und sich dann selber als Star gerieren. Dabei haben sie keine Ahnung von dem Sport. Ich kann sagen: Ich war Boxer. Ich war immer unter Boxern, ich haben als junger Kerl in Muhammad Alis Trainingscamp die Spuckeimer getragen.

Sie sind ein schwarzer Amerikaner und trainieren jetzt einen weißen Ukrainer. Das wäre zu Ihrer Jugendzeit nicht vorstellbar gewesen.

Absolut nicht. Ich bin seit Jahrzehnten in Europa tätig und habe dort nur sehr wenig Rassismus erlebt. Leider hat sich da zuletzt ein bisschen was gewandelt. Die Affenlaute gegen farbige Athleten, andere Vorfälle. Ich hoffe, Europa verliert nie seine Toleranz. Den Affenschreiern kann ich nur sagen: Versucht zumindest, zu denken! Die ältesten gefundenen menschlichen Knochen stammen aus Afrika. Das dürfte nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Wiege der Menschheit sind. Wenn wir also Affen sind, was sind dann diese Rassisten? Die Nachkommen von Affen.

In Amerika mussten Sie viel Rassismus erfahren?

Ja, als ich Boxer war, wurde ich öfter aus dem Publikum bespuckt. Weil ich schwarz war! Als Kind hat mir meine Mutter eingeimpft, nach der Schule immer sofort nach Hause zu kommen und mich im Schatten zu halten Erst wenn ich daheim war, war sie beruhigt. Damals wurden Schwarze gelyncht, und die Mörder kamen damit davon.

Eines Ihrer großen Vorbilder ist Muhammad Ali, der stets gegen die Rassendiskriminierung eingetreten ist.

Er gab uns Stolz, ein Selbstverständnis. Und er war mutig. Was er getan, was er gewagt hat, war damals für Farbige undenkbar. Ich erinnere mich noch genau. Ich war zwölf Jahre alt, als ich einen weißen Mann weinend vor einem Schaufenster, in dem ein Fernseher lief, knien saß. Ich habe gefragt: „Sir, was ist los?” Er stammelte: „Sie haben ihn ermordet, sie haben Kennedy ermordet!” Ich bin 15 Kilometer nach Hause gerannt zu meiner Mutter und schrie unter Tränen: „Sie werden ihn umbringen!” Sie fragte: „Wen?” Ich schrie: „Muhammad Ali, sie werden ihn töten. Wenn sie bereit sind, Kennedy zu ermorden, dann schrecken sie vor Ali sicher nicht zurück.” Er war unser Symbol, mein Held. Es hat in den USA lange gedauert, bis man anderen Hautfarben und Glaubensrichtungen Respekt entgegenbrachte.

Sie sind schwarz und zudem Moslem.

Ja, viele Leute haben ein falsches Bild vom Islam. Sie denken bei dem Wort an den 11. September und die Taliban. Ich muss aber auch die muslimische Welt kritisieren. Als die Mohammed-Karikaturen um die Welt gingen, gab es einen Aufschrei gegen diese Beleidigung des Propheten. Aber wo war dieser Aufschrei der Moslems, als die Taliban zwei Mädchen ermordeten, nur weil sie lesbisch waren? Das ist nicht der Islam, der Islam unterstützt keine Gewalt, keine Unterdrückung von Frauen. Wir dürfen die Taliban nicht den Islam prägen lassen.

Sie sind ein Freund klarer Worte!

Wenn Rosa Parks 1955 die Eier hatte, im Bus den Platz nicht für einen Weißen zu räumen und dabei ihre Gesundheit riskierte, dann sehe ich es als Pflicht an, die Eier zu haben, auf Missstände aufmerksam zu machen. Außerdem hat meine Mutter immer gesagt: Wenn du dir sicher bist, dass du die Wahrheit kennst, sprich sie aus. Nur Lügen sollten unerzählt bleiben.

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