Klitschko befürchtet blutigen Aufstand in der Ukraine

Am Samstag verteidigt Vitali Klitschko in der Olympiahalle seinen WM-Titel. In der AZ spricht der Weltmeister über die bayerische Küche, Ali, Schwarzenegger und die Politik in seiner Heimat
Interview: Matthias Kerber |
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AZ: Herr Klitschko, lange ist es her, dass Sie sich in München einen Gegner vor die Fäuste holten, jetzt verteidigen Sie am Samstag in der Olympiahalle gegen den Briten Dereck Chisora Ihren WM-Titel.

VITALI KLITSCHKO: Ja, ich habe nachdem im Jahre 2007 mein Kampf gegen Jameel McCline wegen meiner Bandscheibenverletzung geplatzt ist, versprochen, dass ich nach München zurückkomme. Es hat zwar gedauert, aber ein Klitschko steht zu seinem Wort. Ich Freude mich sehr, auch auf die Zeit danach, denn ich mag die bayerische Küche, sie ähnelt der ukrainischen sehr.

Inwiefern?

Wir mögen beide Würste und Speck. Der Ukrainer liebt Speck. Und wissen Sie was? Das hat einen tiefen historischen Hintergrund.

Wir sind ganz Ohr.

Die Mongolen unter den Nachfahren Dschinghis Khans haben die Ukraine im 13. Jahrhundert überfallen. Wir waren fast 300 Jahre unter dem Joch der Tartaren. Die haben der ukrainischen Bevölkerung alles genommen. Enten, Schafe, Kühe, alles – nur die Schweine haben sie aufgrund ihres Glaubens nicht angelangt. Also haben die Ukrainer, wir sind ja nicht dumm, fast nur Schweine gezüchtet. Daher die Vorliebe für Speck.

Chisora hat andere Vorlieben, er gilt als durchgeknallter Dauerprovokateur. Er biss einem Gegner ins Ohr, küsste einen anderen auf den Mund, ohrfeigte seinen Gegner Robert Helenius vor dem Kampf.

Ja, er ist ein wilder Hund. Ich sage nur so viel, ich küsse nur Frauen. Ich will nicht von Männern geküsst werden. Und egal, wie gut er küssen würde, er wird den Schmerzen meiner Fäuste nicht entgehen. Ich bin auf alle Psychospielchen vorbereitet.

Sie kämpfen zur Zeit intensiver denn je an zwei Fronten. Einerseits die Boxkarriere, andererseits die Politik. In diesem Jahr stehen die Bürgermeisterwahlen in Kiew an. Sollten Sie gewinnen, wird es den Boxer Vitali Klitschko noch geben?

Nein. Man kann nicht gleichzeitig zwei Herren dienen. Und in der Ukraine läuft im Moment so vieles falsch, dass ich meine volle Energie auf das Amt ausrichten müsste.

Sie sprechen die Missstände in der Ukraine an...

Missstände? Ich würde sagen, dass wir seit einem Jahr das Wort Demokratie kaum noch verdienen, wir sind ein autoritäres Regime geworden. Es gibt nicht wenige, die fürchten, dass es zu einem blutigen Aufstand wie in Syrien kommen könnte. Ich sage dann, Gewalt kann keine Lösung sein, aber viele aus der Bevölkerung sagen: Wir haben nichts mehr zu verlieren!

Sie sind Multimillionär, haben drei Kinder, Sie haben viel zu verlieren, trotzdem exponieren Sie sich. Fürchten Sie, dass man auch Sie – wie so viele andere Oppositionspolitiker in der Ukraine – verhaften könnte?

Ich sage es so, es macht mir ein sehr ungutes Gefühl, in einem Land zu leben, in dem in jeder Sekunde die Polizei vor der Haustür stehen könnte. Bin ich vor einer Verhaftung sicher? Nein, es gibt keine Garantie, dass man nicht auch mich so ausschalten will. Aber bisher versuchen sie es auf anderen Ebenen.

Können Sie konkret werden?

Es werden Gerüchte gestreut, dass ich mit der Mafia zusammenarbeite. Es wurde behauptet, dass mein Vater seine Stellung als Diplomat dazu missbraucht hätte, um Waffen und Drogen zu schmuggeln. Zuletzt hat sich irgendein angeblicher Arzt gemeldet, der bei meinem Kampf gegen Adamek Anzeichen dafür erkannt haben will, dass ich an Parkinson leide. Dies würde dazu führen, dass ich meine Aggressionen nicht kontrollieren könnte, dass ich daher für die Politik ungeeignet sei. Als nächstes stellt er wohl fest, dass ich schwanger bin. Das sind alles nur billige Lügen.

Warum tun Sie sich das an?

Weil ich was verändern will! Es kann nicht sein, dass in der Ukraine an einem einzigen Tag aufgrund der großen Kälte 30 Leute erfrieren! Ich könnte sagen: Was soll’s, ich gehe nach Hamburg oder Kalifornien und genieße das Leben. Aber man muss kämpfen! Wenn man nicht kämpft, kann man nicht siegen. Mein Vater hat mir mal gesagt: Vitali, wenn du kämpfst, musst du alles dafür tun, dass du gewinnst. Wer den Kampf aufnimmt, sollte ihn auch unter allen Umständen gewinnen. Mein Traum ist es, dass es irgendwann in Kiew eine Straße gibt, die meinen Namen trägt. Aber ich will nicht, dass sie dem Sportler gewidmet ist, sondern einem Mann, der sein Land besser gemacht hat.

Sie nutzen den Sport als Instrument, um in der Gesellschaft etwas zu bewegen. Das ist nicht viel anders als bei Muhammad Ali, der in den 60er Jahren so gegen Rassendiskriminierung und den Vietnamkrieg aufbegehrt hat.

Es ist richtig, dass ich die Plattform, die mir der Sport bietet, nutze. Ich will mich nicht mit Ali vergleichen, der mit seinem Engagement einer der bedeutendsten Menschen der Welt geworden ist, aber wir benutzen die gleichen Methoden, um hoffentlich etwas zu bewirken. Ali ist ein großes Vorbild.

Das war für Sie auch immer Arnold Schwarzenegger, der Ex-Gouverneur Kaliforniens. Durch seine Affäre mit einer Haushälterin hat er in der Öffentlichkeit viel von seinem Ansehen eingebüßt. Sie haben sich vor zwei Wochen beim Stanglwirt getroffen...

Er ist immer noch ein Vorbild, obwohl auch ich enttäuscht war. Aber das ändert nichts daran, was für eine Inspiration er für mich in meinem Leben war. Da fällt mir eine nette Episode ein. Es ist ein paar Jahre her, da hatte Schwarzenegger mich zu sich eingeladen. Ich war ganz aufgeregt und wollte meinen Sohn Egor-Daniel mitnehmen, der war da so zehn Jahre alt. Er schaute im Fernsehen Comics. Er meinte: Papa, ich will da nicht hin, der Film ist spannender. Ich habe gesagt: Du kommst mit, das ist eine große Ehre, das ist der Gouverneur! Ich habe den Fernseher ausgemacht, er hat geweint. Als wir dann zu Schwarzenegger fuhren, hat der die Tür aufgemacht und Egor stupste mich an: Papa, warum hast du nicht gesagt, dass er der Terminator ist! Das ist viel cooler als Comics.

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