Kleiner Mond mit vollen Tüten

Das Antipoden-Gefecht: Britta Heidemann siegt, Imke Duplitzer will nur noch weg. Gold auch für Benjamin Kleibrink.
PEKING Und dann strahlte sogar auch noch Imke Duplitzer. Die Degen-Fechterin, die gestern schon im Viertelfinale rausgeflogen war, bei der es also nicht wurde mit der erträumten Goldmedaille. Aber als dafür Benjamin Kleibrink Gold holte, da jubelte auch Duplitzer völlig enthemmt. Als erste Gratulantin umarmte sie den neuen Olympiasieger im Florett und drückte ihm gleich eine Deutschland-Fahne in die Hand.
Und während der 23-Jährige gerade die ersten Interviews gab, stand auch schon Britta Heidemann auf der Planche. Um in ihrem Degenfinale gegen die Rumänin Ana Maria Bronze gleich im Anschluss ebenfalls zu triumphieren.
Ein doppelt goldener Tag für die deutschen Fechter, für das Duo vom Rhein, Kleibrink, der Düsseldorfer, und Heidemann, die Kölnerin. Und so, wie die beiden gefeiert wurden, konnte man meinen, es sei gerade der Elfte im Elften. Karnevalsbeginn in Peking.
Für Heidemann war es natürlich ein Heimspiel. Auf der Tribüne saßen viele chinesische Freunde von Heidemann. Sie hatten Fahnen und Blumenkränze in schwarz-rot-gold um den Hals.
Heidemann war vor neun Jahren erstmals in China gewesen, als Schülerin, und seitdem kehrt sie jedes Jahr nach China zurück, sie begann ein Studium über chinesische Regionalwissenschaften und schreibt im kommenden Wintersemester ihre Diplomarbeit über chinesisches Umweltrecht. Hier fühlt sie sich wohl. Anders als Imke Duplitzer. Die will nur ganz schnell weg aus China.
Aber es hätte auch nicht gepasst, wenn beide ins Finale gekommen wären. Denn dann hätten sie ja etwas gemeinsam gehabt. Heidemann und Duplitzer, ein Gefecht zweier Antipoden.
Deutlich wurde das schon am Montag. Bei der Pressekonferenz der Degenfechter, als Duplitzer ihre Kritik an China, dem IOC, dem Ausverkauf Olympias erneuerte.
Heidemann war genervt, weil sie zu ihrem Sport gefragt werden wollte. Hier Heidemann, die meist charmante Studentin, die sich 2004 für ein Männermagazin auszog. Dort Duplitzer, die Bundeswehrsoldatin mit der eher herben Aura, die Frauen liebt.
Von ihren chinesischen Freunden hat Heidemann den Spitznamen „Kleiner Mond“ bekommen. Duplitzer heißt auch „Der Tank“.
Drei Stunden nach ihrer Niederlage stand Imke Duplitzer im Presseraum, sagte, dass sie jetzt noch die Koffer packt, noch Postkarten schreibt, daheim dann Urlaub macht und dann weiter sehen will. Ein Kamerateam filmte sie, doch als sie merkte, dass sie genau vor einem Kühlschrank des offiziellen Olympia-Softdrinks stand, ging sie fünf Meter weiter. „Die müssen ja nicht im Bild sein.“
Völlig im Bild war dagegen Britta Heidemann, auch wenn sie zugab, dass sie fast am Druck zerbrochen wäre. „Ich war im Halbfinale kurz vor dem Zusammenbruch“, erklärte sie nach dem Finalkampf und beschrieb ihre Gefühlswelt in den letzten Wochen, weil sie als Weltmeisterin von 2007 so unter Druck stand. „Jeder Tag in den letzten Wochen war anders. Mal hektisch, mal panisch, mal weinerlich, mal locker, mal angespannt.“ Und mal erfolgreich. So wie gestern.
So wie Kleibrink. Voller Selbstbewusstsein war er angetreten, und als er nach dem erfolgreichen Halbfinale gegen den Chinesen Jun Zhu gefragt wurde, ob er denn vor den Spielen unterschrieben hätte, er würde Silber gewinnen, sagte er: „Wieso? Ich bin hierher gekommen, um Gold zu holen.“
Auch Heidemann wird sich wohl noch einiges holen. In den Klamottenläden Pekings. Wenn sie es so macht wie nach dem WM-Sieg 2007 in St. Petersburg. „Damals habe ich am Tag danach K.o.-Shopping gemacht“, sagte sie, „und mich komplett neu eingekleidet.“ Ein kleiner Mond mit vollen Tüten.
Florian Kinast