Klaus Wolfermann: München wird wieder sehr profitieren

50 Jahre nach den Spielen 1972 trägt München die European Championships aus. Klaus Wolfermann, damals Goldmedaillengewinner, spricht über die Bedeutung für die Stadt – und Nachhaltigkeit.
von  Interview: Matthias Kerber
Bei den Olympischen Spielen 1972 in München gewann Klaus Wolfermann mit dem letzten Versuch sensationell die Goldmedaille im Speerwurf.
Bei den Olympischen Spielen 1972 in München gewann Klaus Wolfermann mit dem letzten Versuch sensationell die Goldmedaille im Speerwurf. © dpa/imago, AZ-Montage

München - Klaus Wolfermann (73) holte bei den Olympischen Spielen 1972 in München sensationell die Goldmedaille im Speerwurf. Mit der AZ spricht er über die European Championships 2022, die in München stattfinden werden.

AZ: Herr Wolfermann, Sie waren mit Ihrem Sensationsgold im Speerwurf einer der Protagonisten der Olympischen Spiele 1972 in München. Was sagen Sie dazu, dass 50 Jahre später an gleicher Stelle die European Championships 2022 ausgetragen werden?
KLAUS WOLFERMANN: Ich finde das wunderbar, durch dieses sportliche Großevent hat man die Chance, nicht nur anlässlich des halben Jahrhunderts in Nostalgie zu schwelgen, sondern man transportiert die Olympischen Spiele mit all ihren Gedanken, Emotionen und Erinnerungen in die Neuzeit. Für mich ist das eine wichtige Entscheidung, weil sie Signalwirkung hat, besonders in den Breitensport hinein. Es ist mir sehr wichtig, dass der Sport mit all den Werten, für die er steht, in der Gesellschaft, im Volk verankert bleibt. Was mir auch wichtig ist, ist das Thema Nachhaltigkeit. Es gibt keine Stadt, in der Olympische Spiele ausgetragen wurden, in denen die Sportstätten noch derart genutzt werden. Ich rede hier nicht nur von Sport, sondern auch Kultur. Da fällt mir eine schöne Geschichte ein.

"München wird wieder davon profitieren. So wie damals auch"

Lassen Sie hören.
Ich hole immer wieder Janis nach München...

Janis Lusis, der 1972 der große Favorit war, dem Sie im letzten Versuch noch die Goldmedaille entreißen konnten.
Genau. Er hat dann immer ein paar Dinge, die er machen will. Dazu gehört der Olympiapark, der Olympiaturm. Wir sitzen dann da oben, trinken Kaffee. Und er verharrt jedes Mal ein paar Minuten und schaut auf das Olympiastadion. Dann sagt er: "Wie ihr die Stätte immer noch nutzt, das ist einzigartig." Und er hat Recht. Es waren so tolle Spiele, ich treffe immer wieder Menschen, die mir ihre Olympia-Geschichte erzählen, die spezielle Erinnerungen haben. Dass man 50 Jahre später wieder die Welt des Sports hier versammelt, freut mich sehr. München wird wieder davon profitieren. So wie damals auch.

Ihre eigenen Erinnerungen sind golden.
(lacht) Ja. Es war der goldene deutsche Sonntag. Nach mir gewannen noch Hildegard Falck über 800 Meter und Bernd Kannenberg über 50 Kilometer Gehen. Dass Janis Gold holen würde, war eigentlich klar. Ich wäre mit Silber mehr als zufrieden gewesen. Dann habe ich aber meine Chance gewittert und am Ende Gold geholt, das vergisst man nicht. Von einem zum anderen Tag ist die Welt für einen eine andere, was da alles auf einen einprasselt, ist nicht zu unterschätzen. Aber meine Frau hat mich gleich geerdet. Am nächsten Tag hat sie gesagt, jetzt ist es genug um dich gegangen, die Welt hat sich um dich gedreht, jetzt machen wir mal, was ich will. Da sie vom Künstlerischen kommt, sind wir in die Schwimmhalle, zu den Turmspringern. Da waren wir plötzlich auf der Ehrentribüne. Rechts neben mir saß der spätere spanische König Juan Carlos und links der Schauspieler Kirk Douglas, der aus dem Film Spartacus bekannt war. Ich war erstaunt, dass er noch kleiner war als ich (lacht).

"Der Sport kann wieder Werte in der Gesellschaft verankern"

Die fröhlichen Spiele 1972 fanden ihr Ende mit dem Attentat palästinensischer Terroristen, die elf israelische Athleten und Trainer ermordeten.
Das war ja das erste Mal, dass der Terror in die Welt des Sports eingedrungen ist. Schrecklich. Es ist gut, jetzt zu zeigen, dass der Terror den Sport nicht besiegt hat. Aber insgesamt ist es schlimm, in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickelt hat, welche Aggression und Intoleranz herrscht. Ich bin ein Mensch, der viel Wert auf Werte legt. Der Sport verkörpert Werte. Mir ist klar, dass der Sport den Terror nicht besiegen kann, aber wenn man die Werte wieder mehr in der Gesellschaft verankert, wäre das ein wichtiger Schritt.

Lesen Sie hier: Sportstadt München - Welche Großereignisse jetzt kommen

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.