Kitz liegt in der Ostschweiz
Schweizer verhöhnen die Österreicher, die niemanden mehr aufs Trepperl bringen. „Es ist nur noch peinlich“, kommentierte ein Leser auf „Krone.at“ die Schmach, „vielleicht sollten wir künftig lieber Schlitten fahren.“
KITZBÜHEL Die Stimme von Boris Jirka überschlug sich am Samstag vor Begeisterung, der ORF-Reporter schien den Tränen nahe wie ehedem Edi Finger in Cordoba. „Was wir hier erleben“, brüllte er mit Pathos, „ist ein Stück österreichischer Sportgeschichte!“
Geschrieben wurde dieses Stück freilich nicht in Kitzbühel, sondern in Linz, wo Jirka am Abend das sensationelle 37:31 der Handballer gegen Serbien und den Einzug des Gastgebers in die EM-Hauptrunde kommentierte.
Weniger glücklich schaute zeitgleich Jirkas Kollege Rainer Pariasek im Zielraum der Streif, kurz vor der Siegerehrung. Auf dem Podium standen ein Schweizer, ein Slowene und ein Italiener. Aber kein Österreicher. Beim Hahnenkamm-Klassiker trug rot-weiß-rot wieder schwarz.
Die Eidgenossen dagegen feierten Didier Cuche, der nach Super-G am Freitag auch die Abfahrt am Samstag gewann, weshalb der Züricher „Blick" Kitzbühel prompt als „östlichstes Dorf der Schweiz“ eingemeindete. Hohn und Spott für den Gastgeber nach dem Triumph des gelernten Fleischhauers. Österreich, abgefieselt von einem Metzger.
Dabei tragen sie sich ja mittlerweile schon selbst zur Schlachtbank. „Es ist nur noch peinlich“, kommentierte ein Leser auf „Krone.at“ die Schmach, „vielleicht sollten wir künftig lieber Schlitten fahren.“ Warum nicht, da läuft es ja ganz gut. Am Samstag in Sigulda, da wurden die Tiroler Rodel-Brüder Wolfgang und Andreas Linger Europameister im Doppelsitzer.
Bei den Abfahrern dagegen gab es nur zwei Erfolge in den letzten 21 Rennen, der letzte Sieg datiert vom März 2009. Auch Michael Walchhofer, 2006 der letzte österreichische Streif-Sieger, landete nicht auf dem Siegespodest nur im Fangzaun nach der Hausbergkante. So war Mario Scheiber bester ÖSV-Fahrer auf Rang vier. „Es sind beim ÖSV einfach zu viele Fehler in der Vergangenheit gemacht worden“, sagt Ex-Skistar Rainer Salzgeber. Zu sehr gesonnt im Erfolge um Hermann Maier und Stephan Eberharter Anfang des Jahrzehnts. Und zu sehr die Nachwuchsarbeit verschlafen. Wenn bald keine Erfolge kommen, dürfte auch die zwölfjährige Amtszeit von Toni Giger als ÖSV-Chefcoach abgelaufen sein. Zumal sich der 46-Jährige in immer abstrusere Ausreden flüchtet, so meinte er jetzt, dass die Snowboarder schuld seien. „Bei den Geburtsjahrgängen 1982 bis 1987 haben wir sehr gute Boarder aber keine guten Skifahrer.“ Handball, Rodeln, Snowboard, Österreich hat offensichtlich nur noch erfolgreiche Sportarten. Außer alpine Abfahrtsrennen, die einstige Königsdisziplin verkommt zum exotischen Spartensport.
Dabei könnte es ja so schön sein, meinte Toni Giger noch. „Gut Skifahren", sagte er dieser Tage, „das ist wie guter Sex. Da geht auch alles locker und macht Freude.“ Nur ist das Liebesleben demnach im Moment miserabel, der Sex schlecht, und nun steht Olympia in Vancouver an.
Da drohen sie auch beim Höhepunkt schlapp zu machen.
Da gilt wieder Cuche als Favorit, ans Aufhören denkt der 35-Jährige noch nicht. Die Tiroler „Tageszeitung" hat einen Vorschlag, wie man Cuche im Januar 2011 außer Gefecht setzen könnte. In einer Karikatur fängt ein Polizeibeamter Cuche am Start der Streif ab und sagt: „Wegen schärferer Richtlinien für Nicht-EU-Bürger kommen Sie in ein Aufnahmelager mit Ausgangssperre." Witzig ist das freilich nicht. Und nicht realistisch. Schließlich müssen nun die Österreicher zum Hahnenkamm ausreisen. Nach Kitzbühel in die Ostschweiz, Kanton Tirol.
Florian Kinast
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