Kim Bui: Eine geborene Kämpferin beendet ihre Karriere

München - Als sie den Tsukahara beim Abgang gestanden hatte, wurde Kim Bui emotional.
Nach 18 Jahren Karriere ist Schluss
Die 33-jährige Schwäbin schrie nach ihrer Übung am Stufenbarren ihre Freude laut hinaus, winkte auf die leider dürftig besetzten Ränge der Olympiahalle, war sichtlich bewegt. Weil es eine starke Darbietung war und dazu eine ihrer allerletzten. Nach 18 Jahren in der internationalen Spitze geht Kim Bui nach der EM in München in den Ruhestand.
Das deutsche Turnen verliert eine starke Persönlichkeit. Eine Kämpferin, auch außerhalb des Sports. 2005 startete die in Tübingen geborene Tochter einer Vietnamesin und eines Laoten erstmals im Weltcup, ein Jahr später bei ihrer ersten WM.
Bui setzte sich gegen Missstände im Nachwuchsturnen ein
Ihr größter Erfolg: EM-Bronze am Stufenbarren 2011. Bedeutsamer aber war – und ist – ihr Verdienst beim Einsatz gegen Missbrauch und psychische Gewalt im Nachwuchsturnen. Zu sehen war das vor allem nach den Enthüllungen von Chemnitz Ende 2020. Nach Jahren des Schweigens hatten Turnerinnen, darunter Pauline Schäfer, Weltmeisterin am Schwebebalken 2017, die skandalösen Schikanen am Olympiastützpunkt Sachsen öffentlich gemacht.
Ihrer Trainerin warfen sie psychische Gewalt, Machtmissbrauch sowie die unerlaubte Verabreichung von Medikamenten vor. Es ging auch um Injektionen von Spritzen mit unbekanntem Inhalt, um Vorwürfe von Übergewicht und anschließende Essstörungen. Als Athletensprecherin lobte Kim Bui vor dem Sportausschuss des Bundestags Anfang 2021 den Mut der Turnerinnen und forderte viele Kinder und Jugendliche auf, sich bei Missständen gleich zu wehren und nicht erst Jahre später.
Sächsischer Stützpunkt "nur die Spitze des Eisbergs"
"Ich bin bezeichnenderweise nicht so erschüttert über die Vorfälle wie manch ein Außenstehender, weil sie leider Teil unserer Turn-Realität sind", sagte sie vor dem Gremium und sprach von einem "System, das gravierende Verfehlungen von Verantwortlichen deckt, damit sportliche Ziele erreicht werden können". Ihr nüchternes wie zugleich erschütterndes Fazit: "Chemnitz scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein."
Für Aufsehen sorgte Bui auch vergangenen Sommer in Tokio, als sie mit dem deutschen Quartett in einem Unitard antrat. Einem Ganzkörperanzug bis zu den Füßen und nicht wie bisher im üblichen beinfreien Turndress, in dem sie sich oft der Blöße wegen unwohl fühlten. Teamkollegin Sarah Voss erklärte, sie finde im Internet regelmäßig Bilder, "die mir überhaupt nicht gefallen, eben weil mir in den Schritt fotografiert wurde".
Der Unitard wurde so ein gemeinsames Statement gegen Sexismus im Sport und für mehr Female Empowerment. Auch in München treten Bui und Co. im Langbein-Outfit an, am Samstag in der Olympiahalle (14 Uhr) hofft Bui im Teamfinale auf eine Medaille zum stimmigen Abschluss ihrer Karriere.
Folgt jetzt die Forschungs-Karriere?
Und danach? 2020 machte Bui ihren Masterabschluss an der Uni Stuttgart, am Institut für Zellbiologie forschte sie in der Krebstherapie, entwickelte dort spezielle Aminosäuren, die Krebszellen zum Absterben bringen. Dazu absolvierte sie auch schon mal ein Praktikum in einem Medizintechnik-Unternehmen und spezialisierte sich dort auf Verfahren zur Reinigung von Blut.
Möglich, dass sie nach der Laufbahn in der Forschung bleibt - mit viel Einsatz gegen Krebs und Krankheiten.
Eine Kämpferin bleibt Kim Bui bestimmt.