Kiefer: Die letzte Party in New York?

Nicolas Kiefer kann sich im Duell gegen Rafael Nadal nur minimale Chancen ausrechnen. Nach den US Open droht sogar der totale Absturz in der Rangliste.
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Vor einer schier unlösbaren Aufgabe: Nicolas Kiefer.
dpa Vor einer schier unlösbaren Aufgabe: Nicolas Kiefer.

NEW YORK - Nicolas Kiefer kann sich im Duell gegen Rafael Nadal nur minimale Chancen ausrechnen. Nach den US Open droht sogar der totale Absturz in der Rangliste.

Am Freitagabend wird er in New York noch einmal auf die größte Tennisbühne der Welt marschieren – hinein ins prickelnde Grand Slam-Nachtleben im Arthur Ashe-Stadion, hinein in die vergnügungssüchtige Arena mit 24 000 Fans. Das Privileg des Centre Court-Auftritts hat allerdings schon länger nicht mehr mit Nicolas Kiefer zu tun, sondern mit seinen namhaften Gegnern aus der Weltspitze. Wenn er sich in der zweiten US Open-Runde zum Kampf gegen Gladiator Rafael Nadal stellt, dann sind die Gegensätze inzwischen schroff:

Kiefer (32) geht als Nummer 129 ins Rennen, mit einer Saisonbilanz von 11:13-Siegen und sechs Karrieretiteln in 13 Jahren im Wanderzirkus. Nadal (23) ist die Nummer 3 der Charts, hat allein sechs Grand Slam-Titel in seiner Bilanz stehen – und gegen Kiefer hat der bullige Mallorquiner alle vier bisherigen Matches souverän gewonnen. Kiefer, einstmals selbst in den Top Ten angesiedelt und als möglicher Grand Slam-Sieger gehandelt, droht gerade der Absturz in die Zweite Liga des Welttennis, und so war es noch untertrieben, als er nach seinem 6:3, 6:4, 6:4-Erstrundenerfolg über den Franzosen Michael Llodra über das kommende Duell gegen Nadal mürrisch sagte: „Da bekomme ich sicher nichts geschenkt.“

Kiefer, der in der Weltrangliste mit 500 Punkten gerade mal ein Achtzehntel der Ausbeute Nadals aufweist (9025), scheint in dieser kritischen Saison 2009 derweil genau so den Anschluß zu verlieren wie sein langjähriger Weggefährte Rainer Schüttler. Die beiden Veteranen erlebten massive Punkteinbußen, weil sie Spitzenergebnisse des Vorjahres nicht bestätigen konnten – Schüttler in Wimbledon, Kiefer beim ATP-Masters in Kanada, bei dem er 2008 noch im Endspiel gegen keinen anderen als Nadal gestanden hatte. Vor drei Wochen ging er in Montreal sang- und klanglos in Runde eins gegen den Schweizer Stanislas Wawrinka baden – die Folge: Ein schockierender Sturz hinaus aus den Top 100, von Platz 34 auf Platz 128, zum ersten Mal seit dem Jahr 2007.

"Verlierer bleiben am Boden, Sieger stehen immer wieder auf"

Inzwischen stehen zwölf deutsche Spieler vor Kiefer in der Hackordnung, der wiedererstarkte Haas und der ebenfalls sorgenvolle Schüttler, die alten Weggefährten, aber auch die Profis aus der nächsten und übernächsten Generation. Indes: Kiefer sieht sich keineswegs in aussichtsloser Position, als Abschreibungsobjekt, als gar hoffnungsloser Fall. „Verlierer bleiben am Boden. Sieger stehen immer wieder auf“, sagte er unlängst einem Schweizer Blatt, „ich fühle mich als Sieger und Kämpfer.“ Kein Wunder, dass der von unerschütterlichem Behauptungswillen durchdrungene Kiefer noch ferne Ziele ins Visier nimmt – auch bei den Olympischen Spielen 2012 will er noch einmal an den Start gehen, zum vierten Mal dann unter den Ringen.

Seine Tenniswelt wird fürs Erste, in den nächsten Wochen und Monaten, aber hart genug: Denn wenn er nicht bald die Kurve kriegt und in die Top 100 zurückkehrt, muss er auf seine alten Tage bald in die Qualifikationsmühsal bei allen relevanten Turnieren, ob nun Masters- oder Grand Slam-Wettbewerbe. Da trifft Kiefer dann zwar auch auf manchen Altersgenossen, aber meist auf junge, hungrige Burschen, die den Weg nach oben suchen. „Der Weg zurück ist verdammt schwer, aber machbar für jemanden wie Kiefer“, sagt Andre Agassi, immer mal wieder Mentor des Niedersachsen, „die spielerischen Möglichkeiten hat er allemal.“

Auf die Unterstützung eines Trainers will Kiefer beim Kampf gegen den weiteren Absturz oder auch nur gegen das Verharren im Mittelmaß verzichten – taktisch könne er in seinem Alter kaum dazulernen, sagt Kiefer, „die Verantwortung muss ich schon allein übernehmen.“ Nur einen Physiotherapeuten nimmt der 32 Jahre alte Haudegen noch gelegentlich mit auf die Tennistour, schließlich sei der Körper sein wichtigstes Kapitel: „Wenn der funktioniert, kann ich auch Spiele gewinnen.“

Viel zu lachen hatte Kiefer in dieser Spielserie nicht, in die er nach Verletzungspause grandios Anfang März einstieg, als Siegertyp beim Davis Cup-Nachbarschaftsduell mit Österreich. Doch große Schubwirkung hatte das Erfolgserlebnis unter schwarz-rot-goldener Flagge nicht, ein bemerkenswertes Ergebnis bei einem wichtigen Turnier konnte der alte Recke nicht ins Arbeitszeugnis schreiben. Ein Sieg gegen Nadal – er wäre inzwischen fast so realistisch wie ein Sechser im Lotto.

Jörg Allmeroth

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