Kickboxer Sebastian Preuss über Jugend, Gefängnis und Vater

München - Der 27-jährige Münchner Sebastian Preuss eroberte im April den Weltmeistertitel im Kickboxen. Am Samstag steht für ihn bei Stekos Fight Night im Postpalast seine erste Titelverteidigung gegen Robin Wildhaber (Schweiz) an.
AZ-Interview mit Sebastian Preuss
AZ: Herr Preuss, wie lebt es sich denn so als Brad Pitt des Kickboxens, wie Sie kürzlich bezeichnet wurden?
SEBASTIAN PREUSS: (lacht) Es gibt schlimmere Bezeichnungen, Brad Pitt ist schließlich absolute Weltklasse in der Liga der schönen Männer. Meine Mutter hatte das gelesen und mir geschickt, sie hat sich darüber sehr gefreut - und wenn ich meiner Mutter irgendwie eine Freude bereiten kann, bin ich gleich hundert Mal froh.
Ihre Karriere im Kickboxen geht rasant voran.
Es ging alles ultraschnell, vor sechs Monaten habe ich meinen ersten Profivertrag unterschrieben. Plötzlich bin ich Weltmeister und habe meine erste Titelverteidigung am Samstag gegen Robin Wildhaber. Das ist schon fast ein bisschen unwirklich.
Sebastian Preuss: Vergangenheit mit U-Haft
Wie sieht ein normaler Tag im Leben des Sebastian Preuss aus? Sie sind schließlich Inhaber eines Malerbetriebes.
Ich stehe um fünf Uhr auf, trainiere erstmal eine Stunde, dann geht es in die Arbeit. Ich habe drei Festangestellte. Das sind alles gute, ehrliche, aufrichtige Jungs, die mir den Rücken für das Training freihalten. Es ist kein großes Unternehmen, aber es reicht mir. Ich habe Spaß. Es ist meins.
Ihr Lebensweg ging vor einigen Jahren in eine ganz andere - die falsche - Richtung.
Stimmt. Ich war nicht der netteste Mensch der Welt. Mit 14, 15 bin ich auf die schiefe Bahn geraten, habe mich mit den falschen Freunden herumgetrieben. Ich hatte keine Ausbildungsstelle. Dazu hatte ich ein sehr schlechtes Selbstwertgefühl. Ich bin ohne Vater groß geworden, die Mama musste rund um die Uhr arbeiten, um uns drei Kinder durchzukriegen. Ich bin an die falschen Leute geraten, ich habe mich sehr schnell verleiten lassen.
Körperverletzung: Geburtstag in Stadelheim
Sie waren ein wilder Straßenschläger.
Ja, ich habe sehr viele Anzeigen wegen Körperverletzung bekommen. Bis ich wegen Wiederholungsgefahr für ein halbes Jahr in Stadelheim gelandet bin. Eine harte Zeit. Ich habe sogar meinen 19. Geburtstag hinter Gittern feiern müssen.
Da hat dann das Nachdenken eingesetzt?
Dafür hat man im Gefängnis sehr viel Zeit. Man fragt sich, wie man sein Leben gestalten will. Als ich rauskam, wusste ich noch nicht, wo es hingehen soll. Ich wusste nur, dass es so nicht weitergeht. Ich wäre auf jeden Fall irgendwann ganz im Knast gelandet.
Sebastian Preuss über die Zeit nach dem Gefängnis
Wodurch kam der Wandel?
Als ich rausgekommen bin, war ich noch im Fitnessstudio angemeldet. Da haben parallel Thaiboxer trainiert, die haben zu mir gesagt, du bist Kampfsportler, kein Bodybuilder. Ich habe schnell Erfolge gefeiert, bin bayerischer Meister geworden und habe komplett neue Freunde kennengelernt, weil unter den Sportlern nur disziplinierte Kerle waren. So hat sich mein Lebenswandel gestaltet.
Das heißt: Der neue Sebastian Preuss mag den alten nicht?
Nein. Wobei ich sagen muss, ich war immer sehr ehrlich. Auch damals. Aber ich hatte keinen, der mich an den Ohrwascheln gezogen und den Kopf gerade gerückt hat. Ich hatte keine Ziele, heute habe ich die und die verfolge ich strikt. Niemand kann mich davon abbringen. Aber mir hat immer diese Vaterfigur gefehlt. Ein Vater, der einem zeigt, wo es im Leben lang geht. Das hat er nie. Ich habe mir die falschen Freunde und Vorbilder gesucht. Es konnte ein Schwerst-Alkoholiker sein, der irgendeinen Spruch brachte, den ich toll fand. Ich habe es mir immer gewünscht, einen Vater zu haben, aber er wollte nie Kontakt zu mir haben. Als Kind habe ich ihm auch Briefe geschrieben, er hat nie geantwortet.
Sebastian Preuss: Sein Vater schaute ihn nicht einmal an
Und heute?
Vor Kurzem habe ich Kontakt zu seinen Eltern, also meinen Großeltern, aufgenommen. Wir haben uns getroffen, aber sie waren sehr abweisend. Sie haben sich nie gemeldet, ich habe trotzdem hinterhertelefoniert. Dann ist irgendwann mein Vater ans Telefon gegangen, aber er hat mich nur weitergereicht. "Da kam kein, Hallo, Sebastian, freut mich, dass du anrufst." Gar nichts.
War das Ihr erster Kontakt überhaupt?
Ich habe ihn einmal zuvor mit 18 beim Familiengericht gesehen. Meine Mutter hatte nicht viel Geld, sie musste drei Kinder großziehen. Er hätte 40 Euro mehr zahlen sollen, ist deswegen vor Gericht gegangen. Dort hat er mich nicht mal angeschaut. Nicht einmal! Das war eine richtige Erniedrigung. Mit 26 hatte ich Kontakt zu den Großeltern. Aber da kam nichts von der anderen Seite. Da habe ich mir gesagt, ich muss damit abschließen. Wenn Menschen mich nicht in ihrem Leben haben wollen, laufe ich nicht hinterher. Es war sehr erniedrigend, wenn man einen Elternteil hat, der einen nicht in seinem Leben haben will. Ich brauche ihn nicht mehr.