Keine Mode, bitte: Die beste Serena aller Zeiten
MELBOURNE - Williams gewinnt das Frauen-Finale – und ist so gut, weil sie sich nicht mehr ablenken lässt
Im „Garden Square“ drückte Serena Williams gerade noch einmal den gewaltigen „Daphne Akhurst“-Pokal ans Herz, da erklärte ihre Mutter Oracene Price in der Spielerlounge das Geheimnis des jüngsten Triumphs: „Ich kenne keinen Menschen, der es so hasst zu verlieren“, sagte die Mama, „sie geht raus auf den Platz und hat diesen unheimlichen Willen zum Sieg. Einen Willen, der sie zum Champion macht." Und als sei das noch nicht genug an Bedrohungspotenzial für die Konkurrenz, legte die rotblond-toupierte Missionschefin nach mit der Angstmachererei: „Serena ist voll aufs Tennis fokussiert. So wie noch in ihrem Leben“, sagte Price, „es gibt keine Störungen, keine Ablenkungen, keine Nebenschauplätze."
Eindringlich hat die kapriziöse Mama damit den zerstörerischen 6:0, 6:3-Grand Slam-Triumph ihrer bulligen Tochter gegen Dinara Safina (Russland) beschrieben: Serena Williams ist, nach dem jähen Abgang der belgischen Frontfrau Justine Henin und dem schon bedenklich langen Verletzungsausfall von Maria Scharapowa, die überragende Figur im Frauentennis.
Auf großer Bühne brechen Rivalinnen wie Olympiasiegerin Jelena Dementiewa oder nun deren Landsfrau Safina nervlich in sich zusammen - während Williams sich lustvoll in die Herausforderung verbeißt. Sie habe auch ihre „Zweifel“ vor wichtigen Matches, sagte Williams nach ihrem nun schon zehnten Grand-Slam-Titel, „aber für mich sind diese Zweifel dazu da, um sie überwinden. Das gibt mir die wahre Stärke.“
Zwischen der gefühlten Hackordnung im Damentennis und dem Rechenwerk des Computers gibt es ab Montag keine Differenz mehr: Die klammheimliche Nummer 1 ist auch die tatsächliche Nummer 1. Und im dritten erfolgreichen Anlauf zum Gipfel ist sie auch die beste Serena Williams aller Zeiten, eine in sich ruhende Spielerin, die nach turbulenten Karrierejahren mit allerlei Klamotten und Kapriolen nun weiß, was sie will. „Tennis ist mein Leben, das, was ich am besten kann", sagte die Amerikanerin in Melbourne, „ich bin nicht satt. Ich bin so motiviert wie nie.“
Die Schauspielerei, das Modeln, die eigene Modefirma, das alles darf warten, wo noch so viele Grand-Slam-Schätze geborgen werden können, viel mehr als die zehn Pokalgewinne, die sie jetzt schon an eine kleine elitäre Gruppe herangeführt haben - an Spielerinnen wie Margaret Court, Steffi Graf, Martina Navratilova oder Chris Evert.
Unmöglich ist nichts bei dieser energiegeladenen Fighterin, die den Nervenkitzel schätzt und nicht fürchtet. Nicht einmal, dass sie alle vier Grand Slam-Turniere der Saison hintereinander gewinnt - ein Kunststück, das in der Profiära nur Steffi Graf in ihrem goldenen Jahr 1988 (einschließlich Olympiasieg) auf die Courts von Melbourne, Paris, Wimbledon und New York zauberte. „Wenn sie ihre Konzentration zusammenhält, und daran zweifele ich nicht, dann ist das eine sehr realistische Perspektive“, sagt Tracy Austin, "das Gute ist, dass sie in einem Alter ist, wo man schon einmal an das Ende der Laufbahn nachdenkt. Und das treibt einen an, die Möglichkeiten zu nutzen, die man noch hat."
Jörg Allmeroth
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