Kaymer in Eichenried: Schinken und Sehnsucht

Der 28-jährige Martin Kaymer verdirbt sich den Magen, glänzt jedoch mit Topleistung. Warum er in München so gut ist - und hier lieber spielt als in der Heimat.
Eichenried - Es war nicht irgendein Schinken, den Martin Kaymer da von seinem Freund Álvaro Quriós anschneiden ließ. Mit ein paar Kumpels gönnte sich der 28-Jährige am Abend vor dem ersten Abschlag bei den BWM Open in der Wohnung seines Bruders den besten Schinken der Welt: Pata negra 5 Jotas.
Ein Geschenk des Ryder-Cup-Kapitäns Jose Maria Olazabal und ein Juwel der spanischen Gastronomie: vom freilaufenden, schwarzen iberischen Schwein, 24 Monate luftgetrocknet, Eichel- und Wildpflanzenmast. Die Delikatesse ist so begehrt, dass Händler ihn bis zu drei Jahre vorab reservieren müssen. Am Tag nach dem Schinken war noch alles gut, Kaymer spielte eine blendende 63er-Runde, doch auf der 2. Runde bekam er – wovon auch immer – verschärfte Magen-Darm-Probleme: „Ich war froh, dass ich nach dem neunten Loch mal kurz austreten konnte“, erzählte Deutschlands bester Golfer, „mein Bruder hat mich auf dem Platz mit ein paar Pillen versorgt. Aber die wirken auch nur zwei, drei Stunden.“ Die Körper von Leistungssportlern sind sensible Organismen – und für den Kopf gilt das erst recht.
Wie es um das Innenleben von Kaymer bestellt ist, offenbarte er zu Wochenbeginn höchstselbst, als er von Heimweh und einer gewissen Sehnsucht nach Bodenständigem sprach. Doch so gerne er auch zuhause im Bergischen Land ist: Spielen tut er lieber in Oberbayern, will sich laut „Bild“-Zeitung irgendwann mal in der Münchner Gegend niederlassen. Die BMW Open, mittlerweile der einzige Stopp der European Tour in Deutschland, pendeln seit dem vergangenen Jahr zwischen Köln-Pulheim und München-Eichenried – ein Ortswechsel, den Kaymer für eine „sehr gute Kombination“ hält, weil so in zwei deutschen Städten Top-Golf zu sehen ist.
Doch während er im Vorjahr bei der verregneten Premiere in Pulheim sogar den Cut verpasste, verbindet der in Düsseldorf lebende Mettmanner mit Eichenried vor allem positive Erlebnisse: „Ich spiele lieber hier, weil ich den Platz gut kenne, hier auch schon oft gut gespielt und schöne Erfolge gehabt habe“, erklärt Kaymer. Vor zehn Jahren trat er in Eichenried als 18-Jähriger erstmals bei einem großen Profiturnier an und überstand prompt den Cut. 2008 gewann er die BMW Open als erster und bislang einziger Deutscher. Momente, an die er sich gerne erinnert: „Ich weiß noch, wie zigtausende Leute am letzten Loch die Deutschland-Fahnen schwenkten“, erzählt Kaymer.
Hinzu komme die „familiäre Atmosphäre“ des Turniers: „Das funktioniert alles sehr gut und macht einfach Spaß.“ Kurz gesagt: eine Eins mit Stern für die Wohlfühl-Oase Eichenried. Kein Wunder also, dass ihm die erste Runde mit acht unter Par fast perfekt aufging: Sechs Birdies auf den zweiten neun Löchern gelingen auch einer ehemaligen Nummer 1 nicht alle Tage. Vor allem, wenn man Kaymers Turnierbilanz in diesem Jahr betrachtet: zwei verpasste Cuts, nur zwei Top-Ten-Ergebnisse in elf Turnieren und lediglich Rang 59 bei den renommierten US Open. Und dann dieser starke Auftritt in Eichenried, den auch die vergleichsweise bescheidene zweite Runde nicht schmälern konnte: „Eins unter Par ist immer noch gut“, analysierte Kaymer, der sich damit in der Spitzengruppe hält, „es ist alles in Ordnung, kein Stress.“ Letzteres muss er nun seinem Magen ersparen, dann ist für den Rheinländer beim Finale am Sonntag ein Heimsieg drin.