Kas: Junior rein, Senior raus

Christopher Kas spielt für Deutschland Tennis. Sein Vater, der Reporter, wird deshalb versetzt.
GARMISCH-PARTENKIRCHEN Sein Zimmer in Garmisch hatte Karlheinz Kas längst gebucht. Vor vier Wochen, als ihn der Bayerische Rundfunk für die Davis-Cup-Partie gegen Österreich einteilte. Jetzt hat der Radio-Sportreporter das Zimmer wieder storniert. Wegen einer kurzfristigen Änderung im Aufgebot des deutschen Tennis-Teams. Denn jetzt spielt sein Bub mit. Christopher Kas. Und dass der Vater ein Spiel seines Sohnes kommentiert, das wollte der BR dann doch nicht. „Hauptsach’, dass so oder so ein Kas dabei ist“, sagt der Papa. Wenn nicht am Mikrofon, dann wenigstens am Platz.
Dabei ereilte Christopher Kas die plötzliche Nominierung völlig unverhofft. Am Samstag war der Doppelspezialist, derzeit Nummer 37 der Welt, von seinem Wohnort in Schwelm bei Wuppertal noch ahnungslos aufgebrochen. Mit der eineinhalbjährigen Tochter Sophia ging es in die alte Heimat, zur Mutter nach Trostberg. Eigentlich wollte er entspannen, sich bei seinem Physiotherapeuten Josi Schadhauser durchchecken lassen, die Schläger bei seinem langjährigen Servicemann neu bespannen lassen. „Und dann wollte ich noch zum Skifahren gehen“, sagt Christopher Kas. Daraus wird nichts. Denn jetzt darf er Tennis spielen.
Sonntag früh rief ihn nämlich Patrik Kühnen am Handy an, der Daviscup-Teamchef erzählte von der Handgelenksverletzung von Philipp Petzschner und bestellte Kas nach Garmisch ein. Für Sonntagnachmittag um drei. Und schon saß Kas im Auto und fuhr die 200 Kilometer zum Spielort. Vom Chiemgau ins Werdenfels, mit 28 Jahren zum Debüt im Davis Cup.
Außer seinen Schlägern hatte er nichts dabei, keine Hosen, keinen Trainingsanzug, so musste jetzt seine Mama ran. Sie flog am Dienstag nach Düsseldorf, brachte die kleine Kimi Sophia zu Christophers Ehefrau Maria und nahm dafür sein Tennisgewand mit zurück. Weshalb Kas jetzt bestens ausgerüstet ist, für den Höhepunkt seiner Karriere.
„Das ist einfach ein Riesentraum“, sagt er, der sich nach dem Abitur 1999 erst im Einzel versuchte. Mit durchwachsenem Erfolg, 2002 stand er schließlich auf Platz 224 der Weltrangliste. Nach zwei Leistenbrüchen spielte er nur noch Doppel, prompt kam der Erfolg. Inzwischen kassierte er allein an Preisgeldern rund 332000 Euro. Mit seinem Kumpel Petzschner spielte er 2008 beim World Team Cup in Düsseldorf, kam bei den US Open ins Viertelfinale und feierte mit Philipp Kohlschreiber seinen ersten und bislang einzigen Turniersieg auf der ATP-Tour, im September 2008 in Stuttgart. Es spricht viel dafür, dass er auch am Samstag mit Kohlschreiber auf dem Platz steht, am liebsten wäre ihm natürlich, wenn sie nach den ersten siegreichen Einzeln am Freitag für den entscheidenden dritten Punkt gegen Österreich sorgen könnten.
Dann wär’ der Kas bissn.
Doch erst einmal bleibt er bescheiden. „Ich versuche mich gut zu präsentieren“, sagt er, „und natürlich ist ein fader Beigeschmack, dass sich der Philipp verletzt hat. Ich hoffe, dass er bald wieder zurückkommt.“ Was nichts heißen muss für Kas. Im Doppel ist ja Platz für zwei.
In der Garmischer Eishalle ist Platz für 4000, aber Karlheinz, der Papa, wird nicht einmal privat unter den Zuschauern sein, denn als Trostpflaster für die Ausbootung beim Davis Cup lässt ihn der Rundfunk am Samstag Bundesliga kommentieren. Fußball statt Tennis, Fröttmaning statt Garmisch, Bayern gegen Hannover statt Deutschland gegen Österreich. „Mich freut’s riesig für den Buben“, sagt er und hofft, dass der Christopher bei Kühnen vielleicht sogar einen Stammplatz bekommt. Gut möglich, dass Karlheinz Kas so schnell gar keinen Daviscup mehr kommentieren darf.
Florian Kinast