Kai Ebel: "Mit Senna ist die Sonne vom Himmel gefallen"

München - Kai Ebel im AZ-Interview: Der 56-Jährige berichtete von 1992 bis zum vergangenen Sonntag für RTL von der Formel 1. Seit 1994 war er Live-Reporter aus der Boxengasse.
AZ: Herr Ebel, am Wochenende gastiert die Formel 1 in Imola, Sie sind dann nicht mehr mit an der Strecke. Ein komisches Gefühl, oder?
KAI EBEL: Klar, aber da geht es nicht nur um Imola, sondern um das Ende von RTL in der Formel 1. Das ist ja schon eine größere Nummer. Da ziehen 29 Jahre an einem vorbei, die ich mit der Formel 1 zu tun hatte. Aber der Sender hat entschieden, aufgrund von Corona keine Mitarbeiter an die Strecken zu schicken. Weil es auch Reisewarnungen für Imola gibt, sind wir dort - entgegen der Planungen - nicht mehr dabei.
Schade, für Sie hätte sich dort ein Kreis geschlossen, in Imola hat 1994 alles angefangen.
Imola war zwar nicht der Auftakt meiner Formel-1-Karriere, die begann 1992. Aber Imola '94 war der erste Auftritt mit der Live-Kamera in der Boxengasse. Insofern hätte sich ein Kreis geschlossen. Ich wäre sehr gerne dabei gewesen.
Ebel über das Imola-Wochenende 1994: "Das war brutal"
Das Wochenende '94 in Imola war ja äußerst tragisches...
Das war brutal. Wir haben uns alle gedacht, wir machen jetzt Entertainment. Und dann der Katastrophenfall. Am Samstag verunglückt Roland Ratzenberger, am Sonntag Ayrton Senna. Zwei Menschen sterben, plötzlich ist alles anders. Aber als Journalist musst du selbst dann funktionieren, denn die Leute wollen ja wissen, was los ist.

Haben Sie so etwas in der Zeit danach noch einmal erlebt.
Nein, das war das schlimmste Wochenende meiner gesamten Zeit. Das muss man sich mal vorstellen: Zwei Piloten sterben innerhalb von zwei Tagen - und mit Senna ist ja wirklich die Sonne der Formel 1 vom Himmel gefallen. Das war extrem, weil ich auch tags zuvor noch ein Interview mit ihm geführt habe. Das nimmt einen dann nicht nur beruflich mit. Aber ich will jetzt nicht anfangen, Menschenleben aufzurechnen. Denn wenn Menschen sterben, ist das immer tragisch.
Ebel: 1994 wurde das Schumi-Fieber entfacht
Dann erinnern wir uns lieber an die schönen Seiten. In Ihrer Karriere haben Sie etwa den Aufstieg von Michael Schumacher hautnah miterlebt.
Insofern war das Jahr 1994 voller Höhen und Tiefen. Erst der Tod von Senna, dem Superstar, und von Ratzenberger, schließlich das Happy End mit dem ersten Titel von Michael Schumacher. Dazu kam wirklich alles, was die Formel 1 ausmacht: Skandale, illegale Autos, Schumacher mit dem Rammstoß gegen Damon Hill... Das war an Dramatik kaum zu überbieten. Gleichzeitig hat dieses Jahr das Schumi-Fieber entfesselt.
Insofern ist es fast tragisch, dass Sie so lange die Rennen begleitet haben, bis Lewis Hamilton kommt und einen der größten Schumi-Rekorde bricht, die Bestmarke von 92 Siegen.
Vielleicht ist das Schicksal. Schumacher und RTL sind ja in der Formel 1 gemeinsam groß geworden und haben sich Hand in Hand gemeinsam weiterentwickelt. Auch hier schließt sich jetzt quasi ein Kreis. Schon komisch. (lacht)
Ebel: Schumacher war authentischer als Hamilton
Sie haben Schumi aufsteigen sehen und Hamilton seit Beginn seiner Karriere begleitet. Dann können Sie uns sicher sagen, wer der Bessere ist...
Solche Vergleiche will ich nicht anstellen. Jeder fuhr zu einer anderen Zeit mit anderem Material. Vielleicht war Senna der Beste, obwohl er nur dreimal Weltmeister war? Geht es um die nackten Zahlen, wird Hamilton den Laden bald komplett übernehmen. Die Frage ist: Was sind Zahlen wert? Lassen Sie es mich so erklären: Beide haben einen irrsinnigen Speed, beide sind Seriensieger, beide haben ein Team auf ihre Seite gezogen. Michael war der Analytischere, der harte Arbeiter. Hamilton hat auf so was weniger Bock. Der fliegt lieber zwischendurch in der Weltgeschichte herum. Aber er bekommt es so hin. Wem was lieber ist? Keine Ahnung. Ich jedenfalls fand Michael immer authentischer. Es gab immer nur einen Schumi: im Zweikampf knallhart, manchmal ein bisschen drüber, an den Grenzen zur Unfairness. Aber neben der Strecke hatte er immer eine gute Kinderstube. Das ist bei Hamilton schon eher tagesformabhängig. Allerdings ist er ein guter Entertainer.
War es für Sie in der Boxengasse früher leichter, als dort noch Typen wie Bernie Ecclestone oder Flavio Briatore herumgelaufen sind?
Sagen wir so: Jede Zeit bringt ihre Helden hervor. Damals hatten wir mehr Individualisten, mehr Charaktere. Heute ist alles mehr gleich, mehr durchdigitalisiert. Alles ist ein System - und das passt irgendwie auch in diese Corona-Zeit. Früher war alles mehr Lebensfreude - heute ist es mehr Distanz und Pflichterfüllung. Früher sah man James Hunt an der Strecke mit Kippe und Rotwein - heutzutage steht Nico Rosberg in der Startaufstellung und isst Pellkartoffeln. Es ist mittlerweile alles durchfrisierter, alles mehr Müsli-Fraktion.
Ebel über Mick Schumacher: "Er erinnert mich an Vettel"
Bald könnte das Schumi-Fieber wieder steigen. Sein Sohn Mick bekommt in der kommenden Saison wohl ein Cockpit bei Haas oder Alfa Romeo. Sie kennen Mick schon lange, was trauen Sie ihm zu?
Ich traue ihm zu, dass er gut Fuß fassen wird. Er braucht Zeit, er muss Fehler machen dürfen. Man sollte ihn nicht an seinem Namen messen. Trotzdem ist Mick für sein Alter sehr weit und sehr klug. Und er ist ein richtig feiner Junge, aber auch ein Killer im Auto. Er erinnert mich an Vettel in seiner Anfangszeit.
Was werden Sie denn in Zukunft an den Formel-1-Wochenenden machen?
Ohne zu viel zu verraten: Bei den letzten Rennen der Saison werde ich noch im RTL-Studio sein. Alles andere ist Zukunftsmusik. Aber mal sehen, was demnächst überhaupt noch erlaubt ist. Denn Events, wie ich sie mache, sind vorerst wohl eher schwierig auszuführen.
Verschwinden dann auch all Ihre bunten Hemden und Outfits im Schrank?
Nee, warum denn? Das würde ja heißen, dass ich mich fürs Fernsehen immer nur verkleidet hätte. Ich trage das aber auch alles privat. Machen Sie sich keine Sorgen, man wird mich auch demnächst noch im Fernsehen sehen. (lacht)