Jubeltänze im Löw-Käfig
BASEL - Er feierte, er tanzte, er jubelte. Hoch droben unterm Stadiondach. In der Sky-Box, einer VIP-Loge, erlebte Joachim Löw seinen bislang größten Triumph als Bundestrainer – den Einzug ins Halbfinale der EM, das 3:2 gegen Portugal.
Jogi Löw war verbannt von der Uefa, wurde aber nicht gestoppt. Die Bergtour kann weitergehen. Nächsten Mittwoch erneut in Basel. Beim Halbfinale gegen Kroatien oder die Türkei wird Löw wieder freigelassen.
Fassungslos war der Bundestrainer zuvor gewesen. Die Sperre durch die Uefa hatte ihn mitgenommen. „Ich bin mir keines Vergehens bewusst“, erklärte Löw Donnerstagnachmittag nochmals, während Uefa-Generalsekretär David Taylor die Sperre begründete. Löw habe den vierten Offiziellen „angegangen“, sagte der Schotte. Löw habe es an Respekt dem Schiedsrichter gegenüber fehlen lassen.
Den Stellvertreter bis ins kleinste Detail instruiert
Sei’s drum. Löw musste sich damit arrangieren. Was der Verbannte mit der ihm eigenen Perfektion tat. Bis ins kleinste Detail instruierte er Stellvertreter Hansi Flick – und auch Andreas Köpke. Den Torwarttrainer hatte Löw zum Stellvertreter des Stellvertreters erkoren – für den Fall, dass Flick auf die Tribüne geschickt worden wäre. Wurde er aber nicht. Denn Flick blieb gelassen, saß auf der Bank und sprang nur zum Jubeln auf. Über Schweinsteigers Tor, über das Ende von Kloses Flaute, über Ballacks Kopfball.
Gebrieft war Flick aber für alle möglichen Situationen. Auch für die Gegentore. Genau wie die Spieler. Vor- und nachmittags hatte Löw im Teamhotel Ramada Plaza in Basel in Einzelgesprächen und bei der Teamsitzung seine Stars vorbereitet. Am längsten hatte er mit Köpke und Flick geredet.
... und dann musste Flick alleine entscheiden
„Wir haben einiges durchgesprochen, was im Laufe eines Spiels passieren kann“, erläuterte Löw dann hinterher, „aber natürlich gibt es Unwägbarkeiten, zum Beispiel Verletzungen.“ Und dann musste Flick, bislang nur beim damaligen Regionalligisten Hoffenheim selbst als Cheftrainer tätig, allein entscheiden. Bereits nach der Ankunft des Mannschaftsbusses in der Arena war der Verbannte um kurz nach 19 Uhr vom Rest des deutschen Teams getrennt worden. Zwei Uefa-Offizielle nahmen ihn in Empfang, geleiteten ihn zu seinem Platz, zum Löw-Käfig!
Denn Flicks Boss saß nicht einfach auf der Tribüne, er saß „mit aller Anspannung und Enttäuschung“ (Löw) – neben ihm DFB-Chefspion Urs Siegenthaler – im Luxusgefängnis, einer VIP-Loge des St. Jakob-Parks. Funkkontakt? Verboten. Handys? Verboten. Laufburschen mit Zetteln? Verboten. Aber was heißt da Platz nehmen! Löw tigerte durch sein Kabuff. Doch dann die Erlösung, das Schweinsteiger-Tor! Löw sprang auf, riss die Arme in die Höhe. Nach dem Klose-Treffer gab’s kein Halten mehr. Der Bundestrainer tanzte durch den Löw-Käfig, fiel Siegenthaler um den Hals.
Nach den Anschlusstreffern lief Löw wieder durch die Sky-Box – unterbrochen durch eine neuerliche Tanzeinlage bei Ballack Treffer zum 3:1. Erst zehn Minuten nach dem Abpfiff durfte Löw wieder mit seinem Kapitän, mit seinen Siegern in Kontakt treten. Abklatschen. Danke sagen. Sie hatten gewonnen. Ohne ihn – und für ihn.
jos/ps
- Themen:
- Hans-Dieter Flick
- Joachim Löw
- UEFA