Johannes Lukas: "Wir können Deutschland gerne noch weiter ärgern"

München - AZ-Interview mit Johannes Lukas: Der gebürtige Münchner (27) ist seit 2019 Cheftrainer des schwedischen Biathlon-Teams. Zeitweise hat er nebenher als Athletik-Coach des TSV 1860 gearbeitet.
AZ: Hej und Servus, Herr Lukas. Glückwunsch zum starken Auftakt in den Weltcup-Winter. Der deutsche Biathlet Benedikt Doll meinte sogar: "Die Schweden ärgern uns gerade ziemlich!" Fühlen Sie sich da angesprochen?
JOHANNES LUKAS: Ja, definitiv! Das freut mich auch zu hören, weil ich dann weiß, dass wir gute Arbeit geleistet haben.
Was machen Sie und Ihr Team besser als Ihre Landsleute?
Ich weiß jetzt nicht, wie der Trainingsaufbau der Deutschen war. Wir selbst haben aber in diesen Sommer nochmal deutlich mehr trainiert als die letzten Jahre. Und so sind wir in eine Art Flow reingekommen, haben schnell gute Ergebnisse erzielt, was wichtig ist, damit man sich sicher fühlt und das nötige Selbstbewusstsein bekommt.
Lukas folgte auf Trainer-Legende Wolfgang Pichler
Mit Hanna Öberg und Sebastian Samuelsson haben Sie bei den Frauen wie auch bei den Männern die Überflieger dieses noch jungen Winters in Ihrem Team. Hilft es zwei Stars als Zugpferde zu haben?
Es ist super, dass der Sebastian heuer so einen Schritt gemacht hat. Und mit der Hanna im Gelben Trikot - das zeigt eben, dass wir aktuell die beste Biathletin der Welt in unseren Reihen haben. Das ist eine Ehre und gibt auch den anderen im Team nochmal einen Ruck.
Bei den Schweden sind Sie der Nachfolger der deutschen Trainer-Legende Wolfgang Pichler - größer können Fußstapfen kaum sein...
Wolfgang ist nicht nur in Schweden eine Legende, sondern im ganzen Biathlon-Zirkus. Ich war ja lange sein Co-Trainer, also habe schon gewusst, was da auf mich zukommt. Aber ich fühle mich bereit dafür.
Im vergangenen September hatte er bei einer Radtour einen schweren Herzinfarkt, war nach eigener Aussage sogar drei Minuten tot. Wie geht es ihm aktuell?
Es geht ihm gut. Wir haben gerade erst miteinander telefoniert. Und da hat er gesagt, unser aktueller Erfolg, ist die beste Medizin für ihn. Es ist sehr positiv, dass es bei ihm vorangeht und bei uns im Team - das ist die beste Kombination.
Lukas: Das ist der Vorteil als junger Trainer
Mit gerade Mal 27 Jahren sind Sie kaum älter und teilweise auch noch jünger als ihre Athleten, verschwimmen da manchmal die Grenzen zwischen Trainer und Kumpel?
Diese Gefahr besteht sicherlich, damit hatte ich aber noch nie ein Problem. Es ist wichtig, dass man von vorneherein klare Grenzen aufzeigt. Nach dem Motto: Bis hierhin sind wir Kumpels, aber am nächsten Tag ist dann im Training trotzdem Vollgas angesagt. Das muss ich als Trainer vorleben, und wenn ich das mache, spielt es auch keine Rolle, wie alt man ist.
Aber ist Erfahrung nicht ein ganz entscheidender Faktor für einen Trainer?
Natürlich habe ich nicht den Erfahrungsschatz wie ein Trainer, der das schon seit 30, 40 Jahren macht. Aber vielleicht ist der Unterschied, dass ich noch Sachen verändern will, ich bin noch hungriger. Ich bin bereit, noch neue Dinge auszuprobieren, auch wenn es viel Aufwand bedeutet. Ich kann auch noch bei meinen Athleten an der Strecke nebenher mitlaufen, kann so im technischen, taktischen Bereich viel coachen.
Warum hat eigentlich der DSV nie bei Ihnen angefragt?
Ich habe damals bewusst mein Trainer-Praktikum in Schweden, also in einem anderen Land, absolviert. Ich war ja selbst als Athlet beim DSV, weiß also wie die Strukturen dort sind und wollte damals einfach etwas Neues ausprobieren. Und dann bin ich eben in Schweden hängengeblieben. (lacht)
Lukas erinnert sich an Job beim TSV 1860: "Das war schon extrem"
In der Corona-Krise versucht es Schweden mit einem deutlich liberaleren Sonderweg, wie schätzen Sie die Situation dort im Vergleich zu Deutschland ein?
Ich habe das ja im Sommer, als ich zwischen den beiden Ländern hin und her gereist bin, live erlebt. Man kann Schweden einfach nicht mit Deutschland vergleichen. Ich wohne ja selber in München und alleine so viele Leute, wie hier bei mir im Haus wohnen, findet man in Schweden wahrscheinlich auf einem Quadratkilometer. Hier ist alles größtenteils sehr offen und weitläufig, der Abstand ist einfach schon von Natur aus gegeben. Vielleicht ist angesichts solcher Gegebenheiten ein anderer Weg auch möglich und richtig.
Apropos München: Biathlon ist nicht Ihre einzige sportliche Leidenschaft, Sie haben auch schon als Athletik-Trainer beim TSV 1860 gearbeitet. Und das kurioserweise sogar eine Zeit lang parallel zu Ihrem Job in Schweden.
Ja, das war schon extrem. Ich war zeitweise mit den Schweden im Trainingslager in Ruhpolding, habe da vormittags trainiert, bin dann mittags nach München zu den Löwen, um dort drei, vier Stunden zu arbeiten, und dann abends wieder zurück und habe dann noch die Analyse mit den Biathleten gemacht. Das war eine große Belastung, aber auch eine große Möglichkeit für mich. Ich habe damals im NLZ der Sechzger sehr viel gelernt, mir dort viel von der Professionalität des Fußballs abgeschaut. Sobald es möglich ist, werde ich auch mal wieder bei einem Spiel der Löwen vorbeischauen.
Dann verraten Sie uns abschließend bitte, wie lange Sie denn die Deutschen noch ärgern wollen.
Gute Frage, wir haben jetzt einen Rekord-Start hingelegt, aber man darf nicht erwarten, dass das jetzt automatisch so weiterläuft. Ich will weiterhin hohen Einsatz und vollen Fokus von meinem Team sehen, dann werden auch gute Ergebnisse dabei herumkommen - und dann können wir Deutschland gerne noch ein wenig weiter ärgern.