Interview

Jochen Mass: "Größter Erfolg? Dass ich noch lebe"

Im Geburtstagsgespräch mit der AZ redet Ex-Star Jochen Mass Klartext über die Formel 1.
von  Interview: Martin Wimösterer
Andere Zeiten: In Mass' Jahren in der Formel 1 gehören "schwere Unfälle beinahe zur Tagesordnung".
Andere Zeiten: In Mass' Jahren in der Formel 1 gehören "schwere Unfälle beinahe zur Tagesordnung". © imago images

AZ-Interview mit Jochen Mass: Die Motorsportlegende feiert am Donnerstag 75. Geburtstag.

AZ: Herr Mass, Sie haben am heutigen Donnerstag Ihren 75. Geburtstag. Wie feiern Sie ihn?
JOCHEN MASS: Zuerst zu Hause, in Südfrankreich. Danach haben meine Frau und meine Tochter etwas geplant, das ist aber noch ein Geheimnis.

Jochen Mass beim britischen Goodwood Revival Festival am 19. September 2021.
Jochen Mass beim britischen Goodwood Revival Festival am 19. September 2021. © Phil Hutchinson/Imago images

Sie kamen in Dorfen bei München zur Welt. Haben Sie dorthin noch Verbindungen?
Überhaupt nicht. Ich bin dort auch nur geboren. Wir lebten in Isen, in einem Forsthaus. Ich weiß noch, dass im Eingangsbereich eine Kutsche stand.

Begeisterung für Kutschen und Boote

Ihr erster Berührungspunkt mit einem Gefährt.
Ich mochte immer Kutschen. Ich saß vorne und lenkte gerne - nur der, der hinten geschoben hat, war mir zu langsam. (lacht) Genauso mochte ich Boote. Wie die Holzboote rochen und diese Vorwärtsbewegung, wenn der Wind bläst! Diese Lust nach Vorwärtsbewegung zieht sich durchs Leben. Es ist einfach herrlich, wenn dich ein Pferd zieht.

Später wurden bei Ihnen aus einem zahlreiche Pferdestärken. Was war Ihr größter Erfolg: der Sieg in der Formel 1 oder in Le Mans?
Ein Buggyrennen in Oberhausen! Vier Stück bin ich gefahren, zwei habe ich gewonnen. Spaß beiseite. Bei den genannten Rennen bin ich eher der Ansicht, dass diese Erfolge flüchtige waren. Sie zeigten aber, dass man alles richtig gemacht hat. Der größte Erfolg ist, dass ich überlebt habe und bei guter Gesundheit bin. Ich habe auch ein gutes Gewicht. (lacht)

Was bei der guten Kost in Südfrankreich ja schwierig ist.
Das Essen hier ist gesünder als das, was man bei uns so zu sich nimmt. Die provenzalische Küche. . . Der Fisch hier ist frisch und das Gemüse verkaufen sie hier direkt beim Produzenten.

"Wir haben es nicht wegen der Gefahr gemacht, sondern trotz"

Sie sind am 75. Geburtstag bei bester Gesundheit. Einigen Ihrer Mitstreiter aus der Formel 1 war dies nicht vergönnt.
Wenn Sie über Gefahr reden wollen: Wir haben es nicht wegen der Gefahr gemacht, sondern trotz. Man konnte sich die Teams aussuchen und hat gesehen, bei wem ein guter Mechaniker ist. Ich habe bei Surtees damals aufgehört, weil die Dinger auseinanderbrachen. Ich hatte keine Lust, in diesem Experimentierhäschen zu fahren.

Sie hatten das Glück, ohne größeren Unfall durchzukommen.
Nein, 1978 hatte ich einen großen. Mit ATS damals, das war kein gutes Auto. Ich habe ein krummes linkes Bein. Bei anderen ist es eben das rechte. (lacht) Einmal in Zolden überholte ich, ähnlich wie Gilles (Villeneuve, der nach einer Kollision mit Mass starb; d. Red.) bei mir, es kam zum Zusammenstoß. Ich bin in die Leitplanke. Das war eine wunderbare Leitplankenkonstruktion. Das war die einzige Strecke, die das so gemacht hat. Das ist wie beim Nachimpfen: Du musst immer wieder nachbessern, um die Sicherheit zu gewährleisten. Sicherheit kostet. Aber wie man beim Crash von Verstappen und Hamilton sieht, hat sie sich in der Formel 1 verbessert.

So steht Mass heute zur Formel 1

Schauen Sie denn bei der Formel 1 noch zu?
Ohne allzu große Emotionen, ja. Man weiß mehr oder weniger nach dem Start, wie es ausgeht. Wenn wegen Regen abgebrochen wird... Wir sind damals auch im Regen gefahren. Das geht, die Autos dürfen nur nicht zu schnell sein. Man muss die Autos den Bedingungen anpassen und nicht auf die perfekten Bedingungen warten.

Wie stehen Sie zur Nachhaltigdebatte im Motorsport?
Ich bin ein totaler Gegner der Entwicklungen, was das Auto generell betrifft. Ich glaube nicht an Elektroautos. Da kaufen wir uns nur mehr Probleme ein. Wir haben hervorragende Ingenieure und Verbrenner. Erziehungsmaßnahmen einiger Weltverbesserer brauchen wir nicht. Ich habe mir aus Pseudointeresse heraus die E-Formel angeschaut. Ist das langweilig! Das fasziniert die Leute nicht mehr. Generell fehlen heute im Motorsport die Emotionen. Heute bist du viel zu weit von der Strecke, damals konntest du an der Leitplanke stehen. Und: Wenn ich heute zur Strecke gehe mit der Familie, zahle ich einen Jahresurlaub.

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