„Jetzt kann mich nichts mehr halten“

Lena Neuner war lange krank und „wäre fast ausgeflippt“. Nun startet die sechsmalige Biathlon-Weltmeisterin, gestärkt durch ein Buch und die Hilfe eines Weltmeisters, endlich wieder durch.
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Lena Neuner war lange krank und „wäre fast ausgeflippt“. Nun startet die sechsmalige Biathlon-Weltmeisterin, gestärkt durch ein Buch und die Hilfe eines Weltmeisters, endlich wieder durch.

AZ:Frau Neuner, geht’s wieder?

MAGDALENA NEUNER: Ja. Passt. Ist wieder alles gut. Die Krankheit war einfach unglaublich zäh, darum bin ich fast wahnsinnig geworden.

Was war es denn genau?

Das, was alle so haben im November. Ich habe inzwischen schon das Gefühl, ich schnappe alles auf, was die Leute mit sich rumschleppen. Ich brauch’ ja nur zum Einkaufen gehen, schon fang’ ich mir was ein. Ich bin nur daheim umeinander gelegen, habe mich zu nichts aufraffen können. Und genau das war fürchterlich. Du denkst an die Kolleginnen, die schon mitten in der Vorbereitung sind, und du selber kannst nichts tun. Da wäre ich fast ausgeflippt.

Zumal Sie ja schon im Sommer mit Ihrer Darminfektion acht Wochen außer Gefecht waren.

Eben, da kannst es umso weniger erwarten, bis du wieder gesund bist. Was gerade noch gegangen ist, das waren kurze Spaziergänge zu Fuß. So etwas macht mir normalerweise gar kein Spaß, aber da ging’s nicht anders. Nur herumgesessen, ferngeschaut, selbst aufräumen ging nicht. Aber jetzt bin ich wieder völlig gesund.

Gerade rechtzeitig vor dem Weltcup-Auftakt am Mittwoch.

Das wird jetzt auch höchste Zeit. Mich kann jetzt nichts mehr halten. Realistisch mache ich mir bei den ersten Rennen freilich keine Illusionen. Ich hatte mir überlegt, ob ich für Östersund eine intensive Wettkampfvorbereitung machen soll oder lieber langfristigen Trainingsaufbau.

Und?

Letzteres. Ich will schauen, dass ich bei den Höhepunkten ab Januar dann richtig fit bin. die WM in Korea, und natürlich davor die drei Klassiker Oberhof, Ruhpolding, Antholz. Langsam wird das für mich auch schon zur Routine, man weiß da schon immer, was genau auf einen zukommt.

Das wissen Sie ja beim Stehendschießen eigentlich auch, trotzdem hatten Sie genau da immer gewaltige Probleme, oft haben Sie einen Sieg da noch verballert. Ihre Trefferquote lag da nur bei 59 Prozent, zum Vergleich: Andrea Henkel 79, Kati Wilhelm 84, Martina Glagow 91 Prozent.

Daran habe ich auch sehr intensiv gearbeitet. Ich war in diesem Sommer oft in Sonthofen.

Warum denn das?

Weil es da den Rudi Krenn gibt.

Und wer ist das, bitte?

Der ist Weltmeister im Sportschießen und Schießtrainer bei der Bundeswehr.

Einer, der es kann also.

Durchaus. Ich habe da viel verbessern können, was Technik und Anschlag betrifft. Und das hat mir viel geholfen. ich habe jetzt einfach keine Angst mehr.

Und vor dem Rummel graut Ihnen auch nicht mehr?

Ich bin es ja allmählich gewohnt. Ich lese zur Zeit gerade ein Buch, die Autobiographie von Bode Miller.

Ach. Wie kommt’s?

Weil ich ihn für einen sehr interessanten Typen halte, wo man sich einiges zum Vorbild nehmen kann. Ich bin noch nicht ganz durch, aber ich hoffe, dass ich für mich selbst da auch einiges herausziehen kann.

Zum Beispiel?

Da geht es etwa darum, wie er bei den Winterspielen 2002 zweimal Silber gewonnen hat. Am Tag nach dem einen Rennen war er zu einer Talk Show in Los Angeles eingeladen, und seine Mutter hatte ihm noch davon abgeraten und gemeint: Mach’s nicht. Er ist dann aber trotzdem hingeflogen, und so schreibt er in dem Buch, wie er dann auf der Couch saß im Fernsehstudio und sich selbst fragte, was er da jetzt eigentlich macht. Für ihn war das eine wichtige Erkenntnis.

Dass man es nicht jedem recht machen soll?

Genau das. Ich habe auch erst lernen müssen, öfters „Nein“ zu sagen. Ich sehe auch sonst Parallelen.

Sie sind beide in Ihren Sportarten etwa amtierende Gesamt-Weltcupsieger.

Nicht nur das. Ich wollte schon als Kind eine der Besten im Biathlon werden, und ihm ging das beim Skifahren genauso.

Nur dass seine Kindheit doch anders verlief als Ihre: Als Sohn einer Hippie-Familie, aufgewachsen in einer Holzhütte ohne Wasser und Strom in der Einsamkeit von New Hampshire.

Da unterscheiden wir uns sehr, das stimmt. Aber ehrlich gesagt, meine Kindheit in Wallgau war mir da doch lieber.

Interview: Florian Kinast

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