"Jetzt ist im Finale alles drin"

BASEL - Singend und halbnackt: So ausgelassen wie nach dem EM-Viertelfinalsieg gegen Portugal haben die deutschen Spieler nicht mal bei der WM 2006 gejubelt. Und auch Franz Beckenbauer gibt ihnen seinen Segen.
Tja, der melancholische Fado ist nun mal der Nationaltanz der Portugiesen. Und so schlichen sie langsam, ganz bedächtig vom Platz, als die deutsche Party in Basel losbrach. Als das 3:2 des DFB-Team, der Einzug ins EM-Halbfinale gefeiert wurde. Lukas Podolski gab den Vortänzer. Scharfschütze Bastian Schweinsteiger, mit dem schwarz-rot-goldenem Cowboyhut eines Fans auf dem Kopf, hüpfte auf und ab, als säße er beim Rodeo auf einem tobenden Bullen. Und dann stimmten sie es an: Humbahumbatätärää, immer und immer wieder. Mit dem überglücklichen Podolski ganz vorne.
Dass Poldi angeschlagen ins Spiel gegangen war? Davon war nun wirklich überhaupt nichts zu spüren. „Ach was, ich hab mir halt die Wade gezerrt“, sagte er. Mit unglaublicher Dynamik entledigte sich der überragende Aushilfs- Linksaußen seiner Hose – und schleuderte sie in die Kurve. „Jetzt ist im Halbfinale alles möglich, dann sind wir im Finale, dann ist wieder alles möglich“, freute sich Franz Beckenbauer mit. Über Szenen, wie man sie nicht einmal während des Sommermärchens gesehen hatten.
Abgebusselt von der Mama
Überglückliche, erleichterte, euphorische Männer, die über den Rasen tollten wie kleine Kinder, dazu die Welle machten und in der Kurve Freunden und Verwandten um den Hals fielen. Bastian Schweinsteiger, längst mit blankem Oberkörper, suchte Bruder Tobias und seine Freundin Sarah Brandner. „Ich bin einfach überglücklich“, sagte der Bayern- Star, der diesen Abend, seinen Abend, einfach nur genoss. Clemens Fritz wurde abgebusselt – von seiner Mama. Und umarmt von seinem Vater. Familienzusammenführung im St. Jakob-Park zu Basel.
Und dann zog es die Sieger wieder hinaus aufs Spielfeld, zurück zu ihren Fans, zurück zum umherhüpfenden Ersatzbundestrainer Hansi Flick. Dorthin, wo auch der sonst so seriöse DFB-Sprecher Harald Stenger, Protagonist der täglichen Pressekonferenz, ungeahnte Tänzer- und Hochsprung- Qualitäten bewies.
Vor der Kabine ging die Jubelorgie weiter. Der Oben- Ohne-Schweini hatte fürs ARD-Interview von – der peinlich berührten? – Reporterin Monika Lierhaus das Sakko ihres Kollegen Jürgen Bergener umgelegt bekommen. Doch Power-Schweini hatte keine Lust auf feinen Zwirn; die Jacke war eh zu groß. Er legte sie wieder ab, antwortete mit blanker Brust. Aus dem Hintergrund dröhnte Musik aus der deutschen Kabine.
Freudengesänge? Da lachte Kapitän Michael Ballack: „Na ja, die größten Sänger sind wir nicht. Das ist irgendein Gerät.“ Poldi war’s egal. „Wir haben schon gefeiert“, sagte er, „super gespielt, super Spiel, super gefeiert.“ Fußball kann so einfach sein. Und so schön.
jos/ps