Jesse Owens: Superstar zweiter Klasse
Chicago - Der Marmorgrabstein im Oak Woods Cemetery in Chicago wirkt wie frischpoliert, so als habe man ihn extra herausgeputzt für den Ehrentag. Hier ruht der vielleicht größte Leichtathlet aller Zeiten: Jesse Owens. Heute hätte Owens, der eigentlich James Cleveland hieß und den Spitznamen Jesse nur erhielt, weil eine Lehrerin seinen Südstaaten-Akzent nicht verstanden hat, seinen 100. Geburtstag gefeiert. Er, der als schwarzer Athlet bei Olympia 1936 in Berlin vor den Augen Adolf Hitlers vier Mal Gold geholt hat und damit dessen kranke Philosophie von der Überlegenheit der arischen Rassen ad absurdum führte. Hitler weigerte sich damals, Owens die Hand zu schütteln.
„Ein Athlet und ein Humanitär. Ein Meister des Geistes und der Bewegungsabläufe im Sport. Ein Sieger, der wusste, dass Siege nicht alles bedeuten. Seine Errungenschaften haben uns allen die Verheißungen Amerikas gezeigt. Sein Glaube an Amerika inspirierte eine unzählbare Menge, aus sich das Beste herauszuholen. Für sich und ihre Heimat.“ Diese Inschrift ist auf dem Grabstein Owens, der 1980 an Lungenkrebs verstorben ist, der 35 Jahre lang Kettenraucher war, verewigt.
1913 war Owens als jüngstes von zehn Kindern einer Farmpächter-Familie in Alabama zur Welt gekommen. Sein Großvater war noch Sklave auf den Baumwoll-Plantagen. Er wuchs in einem Amerika auf, in dem strikte Rassentrennung herrschte. Er durfte nicht die gleichen Lokale betreten. Ein Schwarzer war nur Bürger zweiter Klasse.
Daran änderten auch seine vier Gold-Medaillen nichts. Als er aus Berlin zurückkam, durfte er auf die Siegesfeier im Waldorf-Astoria nur im Warenaufzug fahren. US-Präsident Franklin D. Roosevelt schickte ihm kein Glückwunschtelegramm und weigerte sich, den „Negro“ im Weißen Haus zu empfangen. „Ich wurde von Hitler nicht beglückwünscht, aber mein eigener Präsident hat das auch nicht getan. Hitler hat mich nicht brüskiert, ich hatte nichts anderes erwartet, aber Roosevelt hat mich brüskiert“, sagte Owens.
Mit 25 Jahren beendete er seine Karriere. Um Geld zu verdienen, musste er Showläufe gegen Pferde bestreiten. „Leider kann man Gold nicht essen. Ich habe eine Familie“, begründete Owens. Seine Tochter Marlene Owens-Rankin sagte anlässlich der Leichtatheltik-WM in Berlin 2009 der AZ: „Meine Mutter war durch die Pferderennen sehr verletzt, sie sah es als große Beleidigung an. Aber mein Vater hatte keine Wahl, er musste irgendwie Geld verdienen.“
Erst spät bekam die Sprintlegende echte Anerkennung. 1973 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Erst drei Jahre später in den USA die Freiheitsmedaille. „Die Deutschen haben Jesse immer mehr geliebt als die Amerikaner“, sagte Owens-Rankin, „er hat nie vergessen, dass die Deutschen 1936 ihn, den Schwarzen, mit Ovationen feierten. Dass sie keinen Schwarzen gesehen haben, sondern nur die Leistung eines großartigen Sportlers. Bei seiner Rückkehr in die USA war er erstmals nur wieder der Schwarze.“ Jetzt, zu seinem 100. Geburtstag, feiern sie ihn auch in den USA. Als amerikanischen Helden.
Endlich!
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