Japans Weltmeisterinnen: Bescheidene "Prachtnelken"
Frankfurt - Exaltierte Feierlichkeiten im Profifußball folgen eigentlich seit längerem ziemlich eintönigen Ritualen. Zumindest bei den Männer sieht das nach errungenen Titeln meist so aus: Es gibt erst ein infernalisches Getöse und später ein lautes Gegröhle; es wird Bier verspritzt und hernach Champagner getrunken. In der Kabine tanzen und singen alle im Kreis, die einen fallen nackt mit Bierflasche ins Entmüdungsbecken, die anderen stecken sich eine Zigarre an. Der Frauenfußball 2011 hat auch dieser Vorstellung einen schönen Kontrapunkt geboten. Das japanische Nationalteam legte nach dem dramatischen 5:3 (2:1, 1:1, 0:0) im Elfmeterschießen gegen die Weltmacht USA eine Demut und Bescheidenheit an den Tag, die dem „Nadeshiko“, also Prachtnelke, genannten Nationalteam nichts von ihrem weltmeisterlichen Glanz nahm.
Putzig wirkte es, wie schüchtern Kapitänin Homare Sawa von OK-Präsidentin Steffi Jones kurz vor Mitternacht den Goldpokal empfing; ulkig sah es aus, wie vier Spielerinnen eine Mini-Polonaise aus der Kabine starteten, die Matchwinnerin und Torfrau Ayumi Kaihori aber höflichkeitshalber sofort abbrach, weil dringende Fragen zum Elfmeterschießen zu beantworten waren. Die 24-jährige Torhüterin, nur 1,70 Meter klein und deswegen vor dem Turnier als große Schwachstelle tituliert, hatte in den vergangenen Tagen bis zum Erbrechen das Abfangen und Abwehren von hohen Flanken geübt, das Halten von Elfmetern eher weniger. Wer hat ihr geholfen? „Die Amerikanerinnen haben verschossen, das war meine große Hilfe.“ Und sie wollte auch die Elfmeter halten, flötete die Frau mit den rötlich getönten Bürstenhaaren, „da musste ich an mich glauben, denn ich war ja allein.“ Wie simpel doch manchmal Fußball ist.
Und Gelächter vor internationaler Zuhörerschar ertönte auch, als Nationaltrainer Norio Sasaki auf die Frage antwortete, wie denn er nun den historischen WM-Triumph – und den allerersten Sieg gegen die bis dahin übermächtigen US-Girls – zu feiern gedenke: „Wir genehmigen uns ein Glas deutsches Bier, und dann bereiten wir uns auf die Rückreise vor. Meine Spielerinnen müssen am Wochenende wieder in der Liga spielen."
Dem Vernehmen nach soll die Nacht im Mannschaftshotel an der Messe dann doch feucht-fröhlicher abgelaufen sein, aber so viel Bescheidenheit klang genauso gut wie die Botschaft der Torschützin Aya Miyama. Die nur 1,57 Meter große Spielerin hatte mit ihrem Ausgleichstreffer zum 1:1 die Verlängerung erst möglich gemacht. Zur Verwendung der umgerechnet 13<TH>340 Euro Siegprämie sagte sie: „Das lassen wir den Opfern in unserem Land zukommen.“ Dazu passend meinte Trainer Sasaki: „Die Leute haben uns während der WM Kraft und Mut gegeben. Deshalb konnten meine Spielerinnen gegen das große Amerika ihr Herz in beide Hände nehmen.“
Ohnehin wirkte der Nationalcoach sehr bewegt. „Wir haben es ausgehalten, dass so viele Menschen auf uns geschaut haben", insistierte er, „dieser Tag muss ganz Japan eine Unterstützung geben. USA, Schweden und auch Deutschland, wenn sie nicht so viel Druck haben, besitzen mehr Tempo und Power als wir, aber wir haben einen eigenen Standard entwickelt.“
Im Land der aufgehenden Sonne werden die Heldinnen auf dem Flughafen Tokio-Narita am Dienstagmorgen erwartet. „Der Airport wird voll sein", sagte Verbandspräsident Junji Ogura, „es ist etwas Historisches passiert.“