Jan Ullrich und Erik Zabel: Die Lebenslügen der Radprofis

An einem schwarzen Tag für den Radsport sind die Doping-Lebenslügen früherer Topstars entlarvt worden. Wieder geht es um Jan Ullrich – und um Erik Zabel.
von  dpa
Damals im Trainingslager in Mallorca: Die Dopingsünder Jan Ullrich (l.) und Erik Zabel.
Damals im Trainingslager in Mallorca: Die Dopingsünder Jan Ullrich (l.) und Erik Zabel. © Roth / Augenklick

An einem schwarzen Tag für den weltweiten Radsport sind die Doping-Lebenslügen zahlreicher früherer Topstars entlarvt worden. Wieder geht es um Jan Ullrich – und um Erik Zabel.

Paris/Köln – Die Doping-Lebenslügen von Jan Ullrich und Erik Zabel sind endgültig entlarvt, die Vergangenheit des Radsports hat sich an einem schwarzen Tag beispielloser Enthüllungen als vollends verseucht erwiesen. Ullrich, Zabel, Marco Pantani, Mario Cipollini und Dutzende weitere Topstars waren bei der Tour de France 1998 mit Epo gedopt. Das ergibt sich aus einem Bericht der französischen Anti-Doping-Kommission vor dem Senat in Paris am Mittwoch.

Vor allem die vermeintlich goldene Ära des deutschen Radsports war demnach nichts anderes als Lug und Trug. Über viele Jahre hatten Ullrich, Deutschlands einziger Tour-de-France-Sieger, und Zabel, der sechsmalige Gewinner des Grünen Trikots, ihre Unschuld beteuert. Dabei haben sie offensichtlich dreist gelogen: Der einstige Saubermann Zabel, als er 2007 unter Tränen verkündete, elf Jahre zuvor ein einziges Mal Epo probiert zu haben – und Ullrich, der fast schon als Lebensprinzip seine Vergangenheit verklärt. Gegen beide liegen nun erstmals positive Tests vor – das ist der eigentliche Sprengstoff der Pariser Enthüllungen. Auch der frühere Edelhelfer Jens Heppner ist überführt.

Die Ertappten schwiegen sich am Mittwoch zunächst aus. Zabel war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, Ullrichs Berater Falk Nier teilte lediglich mit, dass es "vorerst keinen Kommentar zu dem Thema" geben werde. Rudolf Scharping, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer, sagte, die jüngsten Meldungen aus Paris seien "ein weiterer Beleg für das 'verseuchte' Jahrzehnt", glaubt aber weiterhin an eine dopingfreie Gegenwart des Radsports: "Für die Gegenwart und die Zukunft des Radsports hat dies keine Bedeutung."

Der Pariser Bericht beruht auf 2004 vorgenommenen Analysen 1998 und 1999 entnommener Proben. Damals wurde noch nicht auf Epo getestet, 2004 fielen dann fast alle Nachtests positiv aus. Der französische Ausschuss machte es sich zur Aufgabe, diese anonymen Tests konkreten Radfahrern zuzuordnen – ein Stich ins Wespennest.

Rund 60 Athleten, angeblich nicht nur aus dem Radsport, sollen als Betrüger enttarnt worden sein, noch nicht einmal von einem Drittel sind bislang die Namen durchgesickert. Und bereits diese Liste liest sich wie ein Who is Who des Profi-Radsports der 90er Jahre: Große Rundfahrer wie Ullrich und der 2004 verstorbene 98er-Gesamtsieger Pantani, Weltmeister wie Laurent Jalabert (Frankreich) und Abraham Olano (Spanien), Sprintstars wie Zabel und Cipollini, Klassiker-Spezialisten wie Andrea Tafi (Italien) – in allen Bereichen wurde massiv manipuliert. Lance Armstrong, der vielleicht größte Doping-Betrüger, wirkt plötzlich nur noch wie die Spitze des Eisbergs.

Die Frankreich-Rundfahrt 1998, die nach dem Dopingskandal um das Festina-Team ohnehin als dunkelste Etappe der Tour-Geschichte galt, ist im Rückblick endgültig eine Farce gewesen. Die besten Drei des Gesamt-Klassements – Pantani, Ullrich und laut Le Monde auch Bobby Julich (USA) – waren Betrüger. Der Verdacht von damals ist seit Mittwoch Gewissheit.

Ullrich hatte erst im Juni im Gespräch mit dem Magazin Focus erstmals überhaupt Doping gestanden – allerdings "nur" Blutdoping. Ja, er habe diese Blutdoping-Behandlungen beim spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes bekommen, sagte Ullrich. Zu umfassenden Vorwürfen des Epo-Dopings, wie sie der ehemalige Betreuer Jef D'hont vor Jahren geäußert hatte, sagte Ullrich nichts.

Zabel hatte am 24. Mai 2007 gemeinsam mit Rolf Aldag in Bonn unter Tränen ein Doping-Geständnis abgelegt. Er wolle damit auch seinen Sohn vor Dummheiten schützen, sagte er damals, erklärte aber, nur während der Tour 1996 "einmalig" Epo genommen zu haben. Er habe das Mittel nicht vertragen und deshalb wieder abgesetzt.

Ullrich war im Februar 2012 vom Internationalen Sportgerichtshof CAS schuldig gesprochen worden, gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen zu haben. Wegen der Verwicklung in die Fuentes-Affäre wurde er zu einer zweijährigen Sperre rückwirkend ab 22. August 2011 verurteilt. Sämtliche Resultate seit dem 1. Mai 2005 wurden gestrichen – damit darf Ullrich seinen Toursieg von 1997 behalten.

Ob es Möglichkeiten gibt, ihm sein Olympiagold von Sydney 2000 abzuerkennen, will das Internationale Olympische Komitee (IOC) nach Auskunft des deutschen Präsidentschaftsanwärters Thomas Bach eingehend prüfen. Bei der Aberkennung von Medaillen gilt laut IOC-Statuten eine Verjährungsfrist von acht Jahren.

Dass diese Vorschrift für das IOC aber kein Dogma ist, bewies der Fall Lance Armstrong. Der Amerikaner hatte zu Jahresbeginn gestanden, seit 1998 mit Dopingmitteln betrogen zu haben. Das IOC strich den Namen des Olympiadritten im Zeitfahren daraufhin aus der Ergebnisliste von Olympia 2000 in Sydney.

Keine 24 Stunden vor Bekanntwerden seiner Epo-Sünde am Mittwoch hatte Ullrich noch in der ihm eigenen Art in seinem Eurosport-Blog verkündet: "Der Radsport lebt! Auch die Reaktion meiner Gäste bei der zweiten Jan-Ullrich-Radsportwoche im Hotel Central in Sölden war durchweg positiv."

 

 

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