Jan Ullrich: Ein bisschen Geständnis

Jan Ullrich gesteht nach seiner Verurteilung Fehler ein – ein klares Bekenntnis aber bleibt er schuldig. Sein Image verschlechtert sich weiter.
von  J. Galinski, H. Eitel, G. Jans

Jan Ullrich gesteht nach seiner Verurteilung Fehler ein – ein klares Bekenntnis aber bleibt er schuldig. Sein Image verschlechtert sich weiter

LAUSANNE Als Jan Ullrich am 27. Juli 1997 auf der Champs-Élysées seine Arme in den Himmel über Paris reckte, da jubelte halb Deutschland mit ihm. Der nette, junge Profi-Radfahrer mit den lustigen Sommersprossen und dem markanten Ohrring hatte gerade die Tour de France, das wichtigste Radrennen der Welt, als erster Deutscher überhaupt gewonnen. Fortan stand Ullrich hierzulande auf einer Stufe mit den Großen des Sports wie Boris Becker oder Michael Schumacher.


Fast 15 Jahre später, an diesem Mittwoch, hat der internationale Sportgerichtshof Cas Jan Ullrich des Dopings schuldig gesprochen und alle Ergebnisse seit dem 1. Mai 2005 annulliert. In der Nacht zum Donnerstag nahm Ullrich dazu Stellung: Er gibt zu, in die Affäre um den Arzt Eufemiano Fuentes im Jahr 2006 verwickelt gewesen zu sein und spricht von einem „großen Fehler”. Das Wort Doping verwendet er nicht, er windet sich daran vorbei. Ein bisschen Geständnis – Ullrich bleibt viele Antworten schuldig.


Besonders von denjenigen, die sich gegen Doping und für eine Transparenz im Radsport engagieren, erntet Ullrich Kritik. „Er hat jahrelang gedopt. Sich jetzt mit einem Sorry zu verabschieden, ist natürlich relativ wenig”, sagt der Nürnberger Experte Fritz Sörgel. Der Heidelberger Molekularbiologe und Doping-Jäger Werner Franke nennt die Erklärung „substanzlos” und einen „lächerlichen Versuch, einen Deckel auf die Affäre zu tun”.


Die Karriere als Radprofi mag zu Ende sein, als Geschäftsmann steht Ullrich weiter in der Öffentlichkeit – unter anderem tritt er für den Pharmaerzeuger Dr. Wolff auf. Das Unternehmen hat pikanterweise für sein Koffein-Shampoo gegen Haarausfall jahrelang mit dem Slogan „Doping für die Haare” geworben.


Was wird aus Ullrich und seinem Vermögen? Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Doping-Urteil.


Muss Ullrich nun Prämien und Sponsorengelder zurückzahlen?


Während seiner aktiven Karriere hat Ullrich mehr als 30 Millionen Euro verdient, einen Großteil davon durch Start- und Sponsorengelder. Es ist gut möglich, dass er Antritts- und Siegprämien von Rennen wieder zurückzahlen muss. Das ist allerdings von den einzelnen Verträgen abhängig, die Ullrich zum einen mit dem Veranstalter, zum anderen mit seinem jeweiligen Team geschlossen hat. In der Regel sind dort genaue Bestimmungen für solche Fälle enthalten. Dass Ullrich an Sponsoren zahlen muss, ist unwahrscheinlich. Rufschädigung ist rückwirkend rechtlich nur sehr schwer belegbar. Den Prozess vor dem internationalen Sportgerichtshof Cas muss er zwar zahlen – die Summe beläuft sich aber nur auf 8000 Euro.

Wie schwer ist der Schaden der Marke Jan Ullrich – für ihn selbst und für Sponsoren?


„Jan Ullrich zählte jahrelang zu dem kleinen, erlesenen Kreis umjubelter deutscher Sporthelden”, sagt Bernhard Goodwin, Medienforscher an der LMU München. Ullrich war ein Schwiegersohn-Typ, der stets um ein korrektes, sauberes Auftreten bemüht war und alle Dopingvorwürfe lange von sich gewiesen hat. „Umso größer ist deshalb der Imageschaden, den er nun davon trägt”, sagt Goodwin. Die Unehrlichkeit hat die Marke Jan Ullrich demontiert – zumindest fast. „Als Werbepartner kommen nur noch Unternehmen in Frage, die über eine gehörige Portion Selbstironie verfügen”, sagt Goodwin. Deshalb könnte Alpecin-Hersteller Dr. Wolff – der im übrigen an der erst in dieser Woche bekannt gegebenen und über drei Jahre ausgelegten Zusammenarbeit mit Ullrich festhalten will – mit einer cleveren Strategie durchaus noch von seinem Werbeträger profitieren.


Kann Ullrich seinen Namen jemals wieder reinwaschen?


„Er hätte schon längst für mehr Transparenz sorgen müssen, es hätte ihm doch klar sein müssen, dass die Wahrheit am Ende doch herauskommt, sagt Christoph Lütge, Professor für Wirtschaftsethik an der TU München. Ullrich hat bei seinen früheren Fans und Begleitern schon viel Kredit verspielt – retten könne er sich nur noch mit schonungsloser Wahrheit, meint Lütge. „Er muss alles auflisten, was er getan hat. Er muss ernste Reue zeigen. Dann gibt es in der Öffentlichkeit auch die Bereitschaft, ihm zu verzeihen.”

 


 

Seine Unschuld hatte Jan Ullrich längst verloren. Sportlich, als überführter (und inzwischen verurteilter) Doping- Radler. Und auch moralisch, da seine Aufarbeitung der Dopingskandale sich jahrelang auf vier Worte beschränkte: „Ich habe niemanden betrogen.” Hat er natürlich: wenn nicht die (ebenfalls zugepumpten) Konkurrenten, so doch seine Sponsoren und vor allem jene Fans, die in ihm immer noch den Top-Sportler mit Vorbildcharakter sehen.


Jahrelang hat er geschwiegen, nun endlich erklärt sich der gestürzte Held. Und verpasst doch eine Chance, als erster geständiger Dopingsünder die Mechanismen, Machenschaften und Mittelsmänner beim Namen zu nennen. Statt dessen schreibt er nur: „Ich bestätige, dass ich Kontakt zu Fuentes hatte...es tut mir sehr leid.” Klingt wie: „Ja, okay, Ich war mal eben beim falschen Doc, war keine gute Idee, Schwamm drüber.” Kommt ein Jan zum Arzt – welch schlechter Witz, dass Ullrich just in diesen Tagen einen Sponsorvertrag mit einem Unternehmen abschloss, das jahrelang mit „Doping für die Haare” warb.

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