Jamaika-Asse im Visier der Dopingfahnder
MONTE CARLO - Proben von Peking sollen nachträglich auf das Mittel CERA und auch auf Insulin getestet werden. „In Ländern wie Deutschland, Großbritannien oder Frankreich, wo gut funktionierende Nationale Anti-Doping-Agenturen existieren, machen unsere Tests keinen Sinn. In anderen sehr wohl."
Der Leichtathletik-Weltverband IAAF wird die Doping-Proben aus seinen vor den Olympischen Spielen in Peking vorgenommenen Trainingstests nachträglich auf das Blutdopingmittel CERA untersuchen. „Wir werden es noch mal analysieren“, erklärte Gabriel Dollé, Direktor des Anti-Doping- Departments der IAAF in Monte Carlo. Auch eine Untersuchung auf Insulin- Vergehen sei nicht ausgeschlossen. Es geht dabei um rund 50 Blutproben. Bereits das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte eine neue Analyse der eingefrorenen Proben von Peking auf CERA angeordnet.
Überhaupt ist die IAAF ihren Topathleten im Anti-Doping-Kampf im Olympia-Jahr gezielter denn je auf den Fersen. So wurde der Testpool von 750 auf weltweit nur noch 450 Spitzensportler reduziert - darunter sind die Medaillengewinner von Peking, die drei besten der Weltranglisten sowie alle Weltrekordler. Sie müssen sich mehr als 2000 Trainingskontrollen stellen und mit im Schnitt fünf Tests pro Jahr rechnen. „In Ländern wie Deutschland, Großbritannien oder Frankreich, wo gut funktionierende Nationale Anti-Doping-Agenturen existieren, machen unsere Tests keinen Sinn. In anderen sehr wohl“, sagte Chris Butler, Kommunikations- und Testing-Manager des Anti-Doping-Departments.
Angeführt wird die Rangliste der am meisten von IAAF-Fahndern kontrollierten Länder von Russland, Kenia, den USA, Griechenland und Jamaika, das mit dem dreifachen Sprint-Olympiasieger und Weltrekordler Usain Bolt an der Spitze elf Medaillen gewann, darunter sechs goldene. Nach IAAF-Angaben wurde ein jamaikanischer Athlet zwischen Oktober 2007 und September 2008 elfmal getestet. Besonders groß muss der Verdacht bei einem Sportler aus einem anderen Land gewesen sein, der in diesem Jahr 14 Mal zur Kontrolle gebeten wurde.
Pro Jahr kommen nach den Doping-Tests rund 350 analysierte Proben zurück, die verdächtige Werte aufweisen. 2007 führte dies zu 76 Sperren für Sportler, in diesem Jahr sind es bisher 58. Nicht abgeschlossen sind die Fälle der sieben Weltklasseathletinnen aus Russland, denen die IAAF mittels der DNA-Methode Urin-Manipulationen nachweisen konnte. „Dies ist ein wichtiger Schritt gewesen, weil wir es zum ersten Mal gemacht haben“, sagte Dollé, der das Anti-Doping- Programm der IAAF als vorbildlich preist: „Was die IAAF aufgebaut hat, ist ein Modell für alle anderen Sportverbände.“ Andererseits weiß er aber auch um dessen Begrenztheit. „Es ist realistisch und hat einen abschreckenden Effekt auf die Athleten“, meinte der Chef von insgesamt elf Mitarbeitern in Monaco.
Eingeschüchtert sind aber viele Athleten auch nach positiven Kontrollen nicht. Allein 400 000 Dollar des jährlichen Drei- Millionen-Budgets für Anti-Doping-Aktivitäten schlagen für juristische Streitereien zu Buche. Einiges hat sich der Weltverband auch die Sammlung von rund 5000 Bluttests kosten lassen, mit denen Profile angelegt und individuelle Ausreißer der Werte erkannt werden können. Anfang kommenden Jahres will die IAAF zudem den Blutpass einführen. Während die IAAF die Zahl der Trainingstests von 740 im Jahr 1990 bis auf heute rund 2000 gesteigert und die Effektivität durch intelligentere Kontrollen erhöht hat, ist sie bei der Suche nach Hintermännern und Netzwerken des Dopings machtlos. „Es wäre schön, aber da können wir nichts machen“, sagte der Australier Chris Butler, in dessen Heimatland dafür aber eine vorbildliche Lösung geschaffen wurde: „In der australischen Anti-Doping-Agentur arbeiten auch drei Polizisten, die ermitteln können.“
dpa