Ironman: Die Mutter aller Rennen

Deutsche Profis zählen zu den Favoriten beim Ironman auf Hawaii. Wie Raelert, Bracht und Al Sutan sich auf den Triathlon vorbereiteten.
von  Gregor Röslmaier

Deutsche Profis zählen zu den Favoriten beim Ironman auf Hawaii. Wie Raelert, Bracht und Al Sutan sich auf den Triathlon vorbereiteten

Der Tipp ist ernst gemeint. „Es ist keine Schande, mit Leuchtstäbchen zu laufen“, sagt Andreas Raelert, „die Sonne in Kona geht früh unter.“
Zum Ironman Hawaii stehen beim Startschuss am Samstag um 6.30 Uhr Ortszeit (18.30 Uhr MESZ/ab 0 Uhr live hr-Fernsehen) ja nicht nur die 50 bestplatzierten Athleten des Kona-Pro-Rankings, einer Ironman-Punktewertung, am Pier von Kailua-Kona, sondern auch 1800 Altersklassenathleten. Einem wie Raelert, zuletzt zweimal Zweiter und zweimal Dritter, ist es mit Ankommen nach den 3,8 Kilometer Schwimmen im welligen Pazifik, 180 Kilometer Radfahren durch die windanfälligen Lavafelder und 42 Kilometer Laufen auf flimmernden Asphalt nicht mehr getan. „Der Hawaii-Sieg ist mein Traum", sagt der 37-Jährige, „dieser Ironman ist der Grund, wofür es sich lohnt, über Monate auf vieles zu verzichten."
Raelert hat im Frühjahr und seit Anfang August mehrere Wochen im amerikanischen Boulder nahe der Rocky Mountains zugebracht, um sich in der Höhenluft zu trimmen. Vor zwei Wochen schlug der Rostocker bereits auf der Nachbarinsel Maui sein Camp auf.

Neben Raelert sind von den 14 deutschen Profis Timo Bracht und Faris Al-Sultan mit den Tücken auf Big Island am besten vertraut. Der Eberbacher Bracht ist der vielleicht intelligenteste Tüftler. „Ich weiß, wie es auf Hawaii funktioniert", sagt der 38-Jährige.
Was auch der 35-jährige Al-Sultan behauptet, der sich hier 2005 die stache

lige Krone aufsetzte – als erster Münchner und insgesamt dritter Deutscher nach Thomas Hellriegel (1997) und Normann Stadler (2004 und 2006).

Einig sind die Altmeister: Kein Rennen braucht so viel (mentale) Fitness. Raelerts These: „Das körperliche Level ist bei den meisten nach der wochenlangen Vorbereitung ähnlich. Wenn wir die 50 Profis alle auf einen Radergometer setzten, dann kommen bei 30, vielleicht 40 fast identische Werte raus. Alles wird in den schwierigen Momenten im Kopf entschieden.“
Die Härte gegen sich selbst sei auf den finalen Laufkilometern vom Energy Lab nach Kona wichtiger als der gestählte Körper. Raelert: „Beim Schwimmen und Radfahren kann man das Rennen verlieren – gewonnen wird es beim Laufen.“ Zuletzt sechsmal in Folge von australischen Grenzgängern, die der deutschen Dominanz im Wege stehen.
Auf welchem schmalen Grat ein Langdistanz-Athlet wandelt (Andreas Raelert: „Hawaii muss einen den ganzen Jahresverlauf begleiten"), wird an Michael Raelert deutlich. Der 33-Jährige neigt dazu, natürliche Grenzen im Trainingsalltag verschieben zu wollen - und hat sich nun wegen einer seit Jahren entzündeten Patellasehne operieren lassen müssen. Ergo mimt der impulsivere Part der Marke „Raelert-Brothers" den Unterstützer an der Strecke – mit dem neuen Trainer Wolfram Bott.
„Wer die Mutter aller Rennen bezwingen will, braucht Geduld", weiß Pete Jacobs. Der 31-jährige Australier hat im Vorjahr den Kona-Code geknackt. „Bleibe so cool wie möglich", lautet die Devise des Titelverteidigers.

Ob das auch für Sebastian Kienle gilt, der beim Waldlauf im Frühjahr umknickte und ein Außenband abriss? Die Zwangspause sorgte dafür, dass sich der Formaufbau nach hinten verzögerte. Deutschlands „Triathlet des Jahres" gilt mindestens als Podiumskandidat, hat gerade erst den WM-Titel auf der Ironman-Halbdistanz 70.3 eingeheimst. „Ich würde sagen, ich bin schon bei 90 Prozent", sagt Kienle. "Sebastian hatte eine großartige Performance in Las Vegas. Für ihn ist alles möglich“, glaubt Konkurrent Raelert. „Wenn ich mich beim Schwimmen verbessere, auf dem Rad keinen Platten habe und die gleiche Leistung vom letzten Jahr bringe, sollte etwas möglich sein", sagt der Vorjahresvierte.


Der 29-jährige Physikstudent hat sich auch deshalb einen Namen gemacht, weil er sich gegen das Triathlon-Comeback von Lance Armstrong stellte. Seine Statements in Sachen Antidopingkampf klingen überzeugend, seine Leistungsentwicklung („Meine Karriere verlief in den letzten zehn Jahren wie eine Ursprungsgerade - stetig nach oben") wirkt nachvollziehbar. Da wäre sein Sieg ein Zeichen.

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