Irmen tritt ab: Theiss ist gerührt
Julia Irmen beendet am Donnerstag die Karriere als Kickboxerin. Die AZ sprach mit ihrer Vorgängerin Christine Theiss über den Abschied.
AZ: Frau Theiss, am Donnerstag steigt Julia Irmen, Ihre Nachfolgerin als Aushängeschild der Kickbox-Szene, letztmals in den Ring. Sie beendet mit nur 30 Jahren die Karriere. Überrascht?
CHRISTINE THEISS: Ja und nein. Auf der einen Seite schon, weil Kickboxen ihr ja so viel Spaß macht, sie sich so unglaublich reingehängt hat und jetzt gerade den Durchbruch auch in der öffentlichen Wahrnehmung, für die sie so hart gekämpft hat, geschafft hat.
Und andererseits?
Hat sie so viel gegeben, dass ich mich schon gefragt habe, wie lange kann sie das durchhalten. Der Sport mit seinem ganzen Drumherum geht so an die Substanz, dass man Opfer bringen muss. Da will man natürlich nicht, dass am Ende das eigene Kind – Julia ist ja Mutter – das Opfer ist. Die Entscheidung versteht nicht nur jede Mutter, sondern auch jeder Mensch. Julia hat sich das sehr genau überlegt. Sie weiß, was sie tut – und sie weiß genau, dass es für sie und ihre Familie der richtige Schritt ist.
Haben Sie einen Tipp, wie man es schafft, nicht nach der Karriere in ein Loch zu fallen?
Da mache ich mir bei ihr keine Sorgen. Sie ist so bodenständig, sie gehört nicht zu denen, die nicht damit zurechtkommen, wenn plötzlich keine Kameras mehr auf sie gerichtet sind, sondern man langsam in der Anonymität verschwindet. Es gibt ja genug Beispiele, wo es anders war. Wo die Leute daran zerbrechen, dass plötzlich die Schulterklopfer weg sind. Der Neid weg ist. Bei mir war es ja so, dass nach meiner Niederlage im vorletzten Kampf all die, die jahrelang die Messer gewetzt haben, hervorkamen. Das wird Julia erspart bleiben. Sie zieht das durch und wird dann in ihren Beruf als Polizistin zurückkehren. Sie hat längst für das Leben nach dem Sport vorgesorgt. Ein wunderbares Leben. Diese neue Freiheit, diese Selbstbestimmtheit. Heute mache ich nach einem anstrengenden Tag drei Kreuze, wenn ich am Abend nicht noch mal raus muss, um Sport zu treiben.
Sie werden beim letzten Fight Ihrer guten Freundin Irmen als Expertin am Ring sein...
Das wird ein extrem emotionaler Moment. Ich konnte bei meinem Abschied die Tränen nicht zurückhalten. Und ich bin nicht sicher, dass ich es am Donnerstag schaffe. Eigentlich müsste ich in meinem Job beim Fernsehen neutral sein, aber ich denke, an dem Tag werde ich auf alle Etikette pfeifen und einfach da sein. Kann gut sein, dass wir uns am Ende heulend in den Armen liegen.
Wo geht es jetzt mit dem Kickboxen hin, jetzt da das zweite Aushängeschild wegbricht?
Gute Frage. Ich kann mir vorstellen, dass es eine gewisse Delle geben wird, was die öffentliche Aufmerksamkeit betrifft. Da brauchen alle Geduld. Der Sport hat es verdient, dass er weiter im Fokus steht. Mit Marie Lang, die schon Weltmeisterin ist, steht schon Eine parat, die das Zeug hat, ganz groß zu werden. Man muss ihr nur die Chance geben. Und Zeit.
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