Interview zum 100. Geburtstag: Die Huberbuam über Angst, Glaube und Feiern

Die Huberbuam werden 100. Zu diesem Anlass kommt ihr Dokumentarfilm "Bluat is dicker ois Wossa" im Fernsehen - und die AZ hat Thomas und Alexander zum Doppel-Interview getroffen.
von  Victoria Kunzmann
"Wirft man unsere Stärken in einen Topf, kommt etwas Unglaubliches heraus", sagt Thomas Huber (r.) über sich und Bruder Alexander.
"Wirft man unsere Stärken in einen Topf, kommt etwas Unglaubliches heraus", sagt Thomas Huber (r.) über sich und Bruder Alexander. © Sevus.TV

München - "Man nimmt unbewusst jeden Tag Abschied" - zu ihrem 100. Geburtstag sprechen die Huberbuam über die Angst am Berg, Blutsbrüderschaft und das ständige Zusammensein.

AZ: Thomas Huber, Sie sind 51, Ihr Bruder Alexander wird 49 – das macht zusammen 100 Jahre. Zu diesem Anlass zeigt Servus.TV den Dokumentarfilm "Bluat is dicker ois Wossa" über Sie. Sehen Sie sich als Blutsbrüder?
ALEXANDER HUBER: Wir sind ja tatsächlich Blutsbrüder. Wir stehen uns sehr nahe, weil wir nicht nur durch die Familie, sondern auch durch das Bergsteigen verbunden sind. Wir haben dieselben Ideen, dieselben Träume gehabt. Das Wichtigste war für uns, den Fels zwischen den Fingern zu haben. Wir haben uns aber nie als Zwillinge gesehen, weil wir dazu zu unterschiedlich sind.

In welchen Eigenschaften unterscheiden Sie sich denn?
Alexander: Also Thomas ist extrem begeisterungsfähig, er reißt die Leute sofort mit.
Thomas: Alexander zeichnet seine Beständigkeit aus. Wenn er einen Traum hat, ist er unglaublich fokussiert. Wenn man unsere Stärken in einen Topf wirft, kommt etwas Unglaubliches heraus. Wir waren so auf dem Mount Asgard, am Nameless Tower, in der Antarktis, am El Capitan, haben an der Nose den Speedrekord aufgestellt. Manchmal schwächt es uns. Weil wir Blutsbrüder sind, haben wir sehr hohe Erwartungen aneinander, da wird man verletzlich.

Gibt es deshalb Eigenschaften, die Sie am anderen nerven?
Alexander: Wenn zwei unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen, ist es normal, dass man nicht immer gleicher Meinung ist. Das Wichtige ist, einen Kompromiss zu finden.
Thomas: Ich bin ich und du bist du. Ich würde es nie so machen wie Alexander und umgekehrt. Wenn wir nur gleich schwingen würden, wären wir nicht da, wo wir sind.

Sie sind Brüder, Arbeitskollegen, verbringen sehr viel Zeit miteinander. Wann wird es mal zu viel?
Alexander: Es ist schwierig, über so viele Jahre so viel Zeit miteinander zu verbringen. Das endet fast immer in einem Bruch. Das Konfliktpotenzial steht immer zwischen zwei Menschen. Umso näher sie sich stehen, umso schwieriger ist dieses Konfliktpotenzial zu bewältigen. Wir haben große Erfolge miteinander gefeiert, aber wir haben genauso große Erfolge mit unterschiedlichen Partnern gefeiert.

Stichwort Alter: Inwiefern ändert sich das Bergsteigen für Sie mit dem Alter – körperlich, aber auch mental?
Thomas: Körperlich geht es nach unten. Wir haben schon viel von unserem Körper abverlangt, der Stoffwechsel wird langsamer, man regeneriert langsamer. Mental sind wir stärker geworden, weil mehr Erfahrung in uns steckt. Diese Stärken können wir an den großen Wänden im Himalaya oder im Karakorum ausspielen.

Thomas, vergangenes Jahr zogen Sie sich bei einem Sturz aus 16 Metern Höhe eine Schädelfraktur zu. Inwiefern ändert sich da das Bergsteigen?
Thomas: Ich konnte das gut verarbeiten. Mir wurde aber bewusst, dass die Gefahr nicht in der extremen Situation liegt, denn da bist du automatisch vorsichtig. Ich stürzte ab in einer Situation, da lacht jeder drüber. Das Schlimme ist, wenn du es 100 Mal gemacht hast an der Stelle, beim 101. Mal passiert genau das. Das ist die Krux.

Wie ist es möglich, diese Routine abzuschalten?
Alexander: Das passiert nur bei einem ständigen Wachrufen, aufmerksam zu sein. Die Angst ist unsere wichtigste Lebensversicherung.
Thomas: Ich gebe mir immer ein Versprechen: Mach’ es für deine Kinder. Auch wenn es lächerlich ist, dass du bei jedem Standplatz eine Schlinge hast und obwohl es ein großes Band ist, hängst du dich erst rein und gehst dann aus dem Abseilgerät heraus. Du machst Dinge bewusst wie ein Anfänger. Trotzdem gibt es Situationen, in denen man sich denkt: Hast du jetzt Glück gehabt!

Wenn Sie zusammen unterwegs sind, achten Sie mehr auf den anderen oder mehr auf sich selbst?
Thomas: Immer auf den anderen.
Alexander: Das Wichtigste ist, dass man zuerst auf sich selber schaut. Dann hat man den anderen zu retten.

Wie viel Angst ist verträglich in den Bergen?
Alexander: Angst ist täglich da. Beim Straße überqueren zum Beispiel, weil wir Angst davor haben, unser Leben nicht zu kontrollieren. Im Alltag macht es nicht nervös, weil du weißt, du hast die Situation im Griff. So soll es beim Bergsteigen auch sein: Die Angst löst nur Nervosität aus, wenn du überfordert bist. Wenn du das Gefühl hast, du bist den Anforderungen nicht gewachsen, ist es besser, sich am Berg zurückzuziehen. Dann lieber die Finger davon lassen oder in einer besseren Form zurückkehren.

Wie groß ist die Angst bei Ihren Familien, wenn Sie unterwegs sind?
Thomas: Es ist die Angst vor dem Tod. Man nimmt unbewusst jeden Tag Abschied. Wenn man auf Expedition geht, ist man Gefahren ausgesetzt. Da schmerzt dich das Abschiednehmen genauso wie alle, die zurückbleiben. Wenn ich der Familie das Gefühl gebe, dass sie Vertrauen haben dürfen, weil ich im richtigen Moment Nein sage, können sie mich gehen lassen. Weil die Familie wichtiger ist als jeder Berg. Das signalisiere ich ihnen.

Glauben Sie an Gott?
Thomas: Ich bin ein gläubiger Mensch.
Alexander: Ich glaube tatsächlich, dass das Leben geschenkt wurde und dieses Geschenk des Lebens weiß ich zu respektieren. Man nennt es Gott. Keiner von uns weiß, was Gott ist.

Zu Ihrem 100. Geburtstag: Große Party oder ein Trip in die Berge?
Thomas: Wir belohnen uns damit, dass wir Weihnachten feiern dürfen mit unseren Familien. Das ist schon Belohnung genug.
Alexander: Am 11. Dezember ist die Ausstrahlung unseres neuen Films, da sind wir bei Servus.TV und das ist für uns die Party im direkten Sinne.

Vielleicht schaffen Sie auch eine Party zum 200.?
Alexander: (lacht.) Wenn es so kommt, sind wir hoffentlich so fit, dass wir es erleben und wahrnehmen dürfen. Gesundheit ist das Allerwichtigste.

Gemeinsam am Berg: Alexander (oben) und Thomas Huber. Foto: Servus.TV

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.