"Inspiration für alle!" Tommy triumphiert über Federer
HALLE Als er am Samstagabend bei der großen Gerry Weber Open-Modenacht neben dem Schweizer Maestro auf der Bühne stand, für eine kurze Talkshow-Plauderei, sagte Tommy Haas, sein guter Freund Roger Federer sei auch für ihn „eine echte Lichtgestalt des Tennis und des ganzen Sports”. Doch als Haas tags darauf am Nachmittag in den endlich strahlend blauen Himmel über Halle blickte und selbst ein wenig ungläubig den Kopf schüttelte, da hatte er dem erfolgreichsten Tennisspieler der Gegenwart wenigstens einmal den Schalter ausgeknipst, sein letztes schweres Comeback im Tenniszirkus fast magisch gekrönt – und gleichzeitig den größten deutschen Tennismoment des letzten Jahrzehnts vor 12000 Zuschauern auf den Centre Court in Ostwestfalen gezaubert.
„Ich kann es kaum fassen. Das ist absolut unwirklich, wie in einem Film. Es ist, ganz sicher, einer der schönsten Siege in meiner Karriere”, sagte der 34-jährige Altmeister nach seinem 7:6 (7:5), 6:4-Sieg über Federer in einer hollywoodreifen Inszenierung – mit ihm in der anrührenden Hauptrolle des ewigen Rückkehrers aus Verletzungselend und moralischen Tiefschlägen. Kein Wunder, dass die Daueröpatientin Andrea Petkovic noch in den ersten Sekunden nach dem Paukenschlag des notorischen Pechvogels Haas ihre Twitter-Gemeinde wissen ließ: „Tommy ist eine Inspiration für alle.”
Nach einer fast beispiellosen Leidensgeschichte im Tourbetrieb der Tennisprofis, nach fünf Operationen an Schulter und Hüfte und nach immer neuen, stets unverdrossenen Comeback-Missionen stand er tatsächlich an diesem 17. Juni 2012 noch einmal im Mittelpunkt des ganzen Wanderzirkuss – dieser oft so unglückliche, so frustrierte Tommy Haas, der auf seine alten Tage nun das Publikum wie nie zuvor in seiner wechselvollen Karriere begeistert und emotional mitreißt. Ein gereifter Athlet, der auch wuchs im Dauerdrama der Verletzungen. „Ich hätte selbst gerne hier gewonnen”, sagte der unterlegene Federer denn auch später, „aber ich gönne keinem Spieler einen Titel so wie Tommy. Er hatte das größte Pech aller Spieler dieser und der letzten Generation.”
Seine erste Niederlage gegen Haas seit über zehn Jahren (Australian Open 2002) beendete im übrigen auch eine lange Erfolgsserie des Schweizers gegen DTB-Profis, die letzten 49 Duelle gegen deutsche Rivalen hatte der Künstler ausnahmslos gewonnen. So nahm er zwar dankbar die Umbennung einer Straße in Stadionnähe entgegen, die fortan Roger-Federer-Alle heißen wird, musste aber den Pokal im „Klein-Wimbledon” dem umjubelten Lokalmatador Haas lassen.
Der hatte schon in dieser ganzen Tenniswoche von Halle für Sensationen am laufenden Band gesorgt und seine unverbrüchliche Klasse gezeigt: Im Viertelfinale gegen den Weltranglisten-Siebten und Wimbledon-Mitfavoriten Tomas Berdych, dann in der Vorschlußrunde gegen Philipp Kohlschreiber, den bärenstarken Titelverteidiger. Und nun eben auch gegen den eigentlich in diesem Turnierjahr für unschlagbar gehaltenen Roger Federer, der in diesem Jahr noch kein Finale auf der Tennistour verloren hatte.