In der zweiten Reihe
ARD und ZDF übertragen die Frankreich-Rundfahrt – nicht weil sie wollen, sondern weil sie müssen. „Wenn der Zuschauer die Tour über Stunden sehen will, muss er woanders einschalten“
MONACO Beim Einzelzeitfahren am Samstag vorbei am Casino, durch die Haarnadel und den Hafentunnel. Auf der zweiten Etappe am Sonntag durch die Rascasse, Sainte-Devóte, Mirabeau. Altbekannte Streckenabschnitte, nur dass sie jetzt in Monaco auf zwei statt auf vier Rädern unterwegs sind, und dass es beim Auftakt der Tour de France langsamer und leiser zugehen wird als sonst immer in der Formel 1.
Das trifft sich. Denn auch im Fernsehen wird es ruhiger. Bei ARD und ZDF sitzen Sie die nächsten drei Wochen in der zweiten Reihe.
Die fetten Jahre des Radsports sind im Öffentlich-Rechtlichen vorbei. Es gibt nur noch eine Tour light.
Nach den Doping-Enthüllungen um Stefan Schumacher und Bernhard Kohl im Oktober 2008 hatten das Erste und das Zweite für 2009 den Komplett-Ausstieg aus der Live-Berichterstattung der Tour verkündet. Doch da waren die Fernsehmacher kurzsichtig.
Schließlich hatte die Europäische Rundfunk-Union (EBU) schon vor der Tour 2008 die Rechte für die Jahre 2009 bis 2011 erworben. Auch im Auftrag von ARD und ZDF, die dafür 20 Millionen Euro zahlen. Nun beharrte die EBU auf Einhaltung des Vertrags, weshalb die Öffentlich-Rechtlichen nun doch übertragen müssen. Wenn auch in reduziertem Umfang. So gehen ARD und ZDF erst kurz vor Ende der Etappe auf den Sender, im Schnitt gibt es täglich die letzte halbe Stunde des Rennens live zu sehen. Die Tour als Pflichtveranstaltung.
Das war früher noch anders. 2004 etwa zeigten sie die Radlrundfahrt durch Frankreich schon ab dem Mittag, damals klangen die Reportagen aber auch wie anbiedernde Hofberichterstattung. Kritischer Journalismus war nicht gefragt, vor allem nicht bei Kommentator Hagen Boßdorf, der Jan Ullrich und dem Team T-Mobile eng verbunden war und der auch unliebsame Investigativ-Journalisten wie Hajo Seppelt entsorgte.
Nun ist Doping-Experte Seppelt in Frankreich wieder dabei, als einer von 30 Mitarbeitern, weniger als die Hälfte des sonstigen ARD-Aufgebots. „Sollten wieder Dopingfälle auftreten, wird Hajo Seppelt sofort ausschwärmen“, sagt ARD-Tourchef Roman Bonnaire der AZ. Einen Ausstieg wie bei der Tour 2007 nach dem Fall Patrik Sinkewitz schließt Bonnaire vorerst aus: „Wir sind gekommen, um zu bleiben. Es gibt für uns kein Szenario, was passiert, wenn sie einen erwischen. Wir sind nicht die moralischen Richter. Wir sind dazu da, um zu kommentieren und einzuordnen.“
Noch sparsamer gibt sich das ZDF, aus Mainz wird gar kein Reporter zur Tour geschickt, kommentiert wird aus dem Studio. „Wenn der Zuschauer die Tour über Stunden sehen will“, sagt ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz, „muss er woanders einschalten.“ Und zwar bei Eurosport. Die übertragen täglich drei Stunden live, Minimum.
Da sehen die Radlfreunde mehr. Ob das besser ist, wird sich zeigen. Florian Kinast
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