"In Bayern haben wir eine Sogwirkung"
AZ: Der Wettkampftermin der Bundesliga an diesem Wochenende steht im Zeichen des Comebacks von Fabian Hambüchen, der nach sieben Monaten Verletzungspause wieder für den KTV Straubenhardt turnt. Wie wichtig ist das für das deutsche Turnen?
ULI HAGER: Fabian Hambüchen ist eine Leitfigur für das deutsche Kunstturnen. Er hat das Turnen in die deutschen Wohnzimmer gebracht, hat eine ähnliche Bedeutung wie Boris Becker im Tennis oder Dirk Nowitzki im Basketball. Marcel Nguyen und Philipp Boy sind Hambüchen auf den Fersen, der deutsche Nachwuchs drängt. Ich traue ihm allerdings zu, sich wieder zu behaupten und ganz nach oben zu kommen. Er ist ein zäher Fighter.
Der FC Bayern belegt im Moment den fünften von acht Plätzen in der Deutschen Turnliga. Was ist langfristig das Ziel?
In dieser Saison wollen wir nach der Hauptrunde mindestens Vierter werden, dann könnten wir noch um Platz drei turnen. Langfristig wird es aber schwer, an die Spitze kommen wir kaum ran. Der KTV Straubenhardt hat die halbe Liga aufgekauft, bei denen turnen unter anderem eben Hambüchen und Nguyen. Das ist ein Damoklesschwert für die Attraktivität der Liga. Die haben da Profibedingungen, Sponsoren investieren eine Menge. Ich gönne den Turnern, dass sie etwas verdienen, aber es muss klare Regeln geben.
Welche Regeln meinen Sie?
Wir sind formal eine reine Amateurliga, es gibt also keine Bilanzprüfungen für die Lizenz einer Liga. Dafür werden wir jedes Jahr vom Finanzamt überprüft, was die Gemeinnützigkeit betrifft. Die Bestimmungen sind teilweise noch aus dem Mittelalter. Ich kann, harsch gesagt, einem Hausmeister nur einmal im Jahr einen Fresskorb über 40 Euro geben – zweimal geht das nicht. Ich möchte mal sehen, dass andere Vereine so genau überprüft werden wie wir.
Wird Straubenhardt etwa nicht überprüft?
Doch, natürlich, aber da gibt es teilweise unterschiedliche Vorstellungen bei anderen Finanzämtern.
Was heißt das für den FC Bayern?
In zehn bis 15 Jahren wird das Geld im Vordergrund stehen. Aber da machen wir nicht mit. Einen Hambüchen im Bayern-Trikot wird es nicht geben.
Aber beim Basketball rüstet der FC Bayern gerade mächtig auf, sogar die Hoffnung auf Dirk Nowitzki hat man noch nicht aufgegeben.
Da bin ich überhaupt nicht neidisch. Wenn in der Profiliga ein Nowitzki zu haben ist, dann findet sich ganz schnell ein zusätzlicher Sponsor, der das ermöglicht. Unsere Amateurliga ist mit acht Mannschaften für solche Investitionen viel zu klein. Außerdem turnen wir quer übers Jahr verteilt: In dieser Saison haben wir vier Termine im März und April, einen jetzt im August und nochmal zwei im Oktober und November. Da finden Sie kaum Sponsoren.
Wieso ist der Termin jetzt im August so schlimm?
Jetzt ist Ferienzeit, da setzt sich doch niemand in eine Halle – auch wenn das Wetter gerade dafür spricht. Der Terminplan ist völlig verzerrt. Unsere Turner müssen deshalb ihre Form über sehr lange Zeit halten. Wie schwierig das ist, hat man gerade beim Schwimmen gesehen: Da waren 90 Prozent der deutschen Athleten bei den deutschen Meisterschaften fitter als bei der Weltmeisterschaft.
Wie ist die Stellung des FC Bayern im Turnen?
Im bayerischen Lande haben wir schon eine Sogwirkung. Da kommen die Jungen zum Beispiel aus Augsburg, Mühldorf oder sonst wo, um bei uns zu turnen. Auch überregional haben wir einen guten Ruf. Als wir 2008 abgestiegen sind, haben wir von überall gehört: Ihr gehört in die erste Liga. In München selbst ist es aber schwierig, da kommen kaum Zuschauer. Deshalb ziehen wir seit Jahren von Halle zu Halle im Umland und tragen dort unsere Heimwettkämpfe aus. Das machen wir bei Turnvereinen in der Region mit 1000 bis 1500 Mitgliedern, da kommen im Schnitt 300 bis 400 mehr Leute zu den Wettkämpfen als in München.
Was muss in München besser werden?
Die bayerische Sportpolitik hat in den letzten Jahren wegen der Olympiabewerbung viel Wert auf den Wintersport gelegt. Darunter haben andere zu leiden. Schauen Sie, wie viele Sportarten absaufen. Wo ist denn zum Beispiel die Leichtathletik? Wir Turner hatten in München am Huber-Gymnasium eine Leistungsklasse, wo die Schüler ganztägig betreut wurden, damit sie Sport und Schule vereinen können. Das hört jetzt mit dem G8 auf, da wird es keinen neuen Nachwuchs mehr geben. Ein humaner Leistungssport muss aber weiterhin möglich sein – das heißt, die Jungen müssen unter zumutbaren Bedingungen herangeführt werden.
Am Samstag turnt der FCB in Unterföhring gegen den MTV Stuttgart. Was ist drin?
Das ist ein Südderby, das ist schon etwas Besonderes. Beide Mannschaften sind fast gleich stark. Allerdings fällt mit Brain Gladow unser Topturner für den Rest der Saison aus, er muss an der Schulter operiert werden. Mal abwarten, wie sich unsere zweite Garnitur schlägt.