Immer am Limit! Im Ring mit dem Weltmeister

München - "Hoch! Hoch! Hoch!" Michael Smolik zieht seine Knie abwechselnd nach oben. Wir stehen uns gegenüber, ich versuche ihm zu folgen. Und schwitze schon beim Aufwärmtraining. Während er die Knie an sein Kinn zieht, habe ich Mühe, meine auf Höhe des Bauchnabels zu bekommen. Die linke Faust hält er schützend vor sein Gesicht. Ich tue es ihm nach und vergesse, auf meine Beine zu achten. "Knie hoch!", ruft der 26-Jährige.
Eine Trainingsstunde mit Kickbox-Weltmeister Michael Smolik. Als ehemalige Karateka kein Problem – dachte ich mir. Mit 15 Jahren Kampfsporterfahrung und der Kondition einer Halbmarathonläuferin wage ich mich in den Ring. Schon als ich mich bei Smoliks Trainer Mladen Steko ankündigte, lachte dieser. Im Mai 2016 brauchte sein Schützling drei Sekunden, um Gegner Tihamer Brunner in die Knie zu zwingen. Was tue ich mir da nur an?
Vom Schulhofprügler zum Vorbild
Autsch. Mit voller Wucht prallt mein Knie in den Sandsack. Ein dumpfer Schmerz breitet sich in meinem Bein aus. "Eins, zwei, drei", zählt Smolik und hält den Sandsack fest. Zehn Tritte gegen das Leder. Als Übung, bevor es in den Ring geht. Er übernimmt, ich halte den Sandsack. Wie bei einem dumpfen Technobeat prasseln die Kicks in seinen imaginären Gegner.
Die harten, schnellen Kicks sind das Markenzeichen von Michael Smolik. "Ich war ein schlimmer Junge", gibt der gebürtige Crailsheimer zu. Schulhofprügeleien und immer eine große Fresse. Sein Ehrgeiz, im Sport etwas zu erreichen, ist größer. So groß, dass er seinen Traumberuf Polizist aufgibt und stattdessen nebenbei in der Sat.1-Vorabendserie "Ruhrpottwache" mitspielt.
Nun will er selbst Vorbild sein. "Ich versuche immer, Kinder und Jugendliche zu motivieren, wieder auf die richtige Bahn zu kommen", sagt er. "Wenn sie zu mir aufschauen, gibt mir das viel Kraft." Kraft für den entscheidenden Tritt?
Ein Tritt, ein Schuss
Wir steigen in den Ring. Ich ziehe mir die Pratzen über die schweißgebadeten Hände. Dieses 30 auf 50 Zentimeter große Polster soll mein einziger Schutz vor den Kicks des Weltmeisters sein. Im Karatetraining hatte ich nie Angst. Nicht einmal großen Respekt vor meinen Gegnern. Allerdings war auch keiner von ihnen 1,91 Meter groß, 105 Kilogramm schwer und hatte eine Kickstärke von 1000 Kilogramm.
Ich verliere das Gleichgewicht, als der erste Tritt auf die Pratze einprasselt und wanke ein paar Schritte zurück. Gleich kommt der nächste, ich tanze taumelnd durch den Ring. Es fühlt sich an, als würde Smolik ein Feuerwerk abbrennen. Jeder Tritt ein Schuss. Jeder Tritt ein Funke. Zum Schluss der Back-Kick, sein Lieblingstritt.
Smolik dreht sich einmal um die eigene Achse, schwingt den rechten Fuß – und lässt ihn in das Polster in der Ringecke krachen. Ich wäre sicher zu Boden gegangen. Mir läuft der Schweiß die Schläfen hinunter. "Jede Vorbereitung ist hardcore", sagt er. "Nicht die Weltmeisterschaft ist der Kampf, sondern die jahrelange Vorbereitung."
Als ich die Halle verlasse, fragt mich Smoliks Trainer Mladen Steko, ob ich denn noch lebe. "Er kann froh sein, dass er noch lebt", kontere ich. Muskelkater wird Michael Smolik – im Gegensatz zu mir – sicher keinen gespürt haben.
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