Im Löwen-Zug fliegen die Fäuste

MÜNCHEN - Flaschenwürfe, brennende Utensilien, dazu zwei demolierte U-Bahnen, mindestens acht Fans, die in Gewahrsam genommen wurden und vier Festnahmen: die seit Tagen aufgeheizte Stimmung rund um das Pokal-Derby zwischen dem FC Bayern und 1860 München ist kurz vor dem Anpfiff eskaliert.
„So schlimm", sagte Polizeisprecher Wolfgang Wenger, „war es schon lange nicht mehr." Die Polizei war im Dauereinsatz. Auch wenn es bis kurz nach Spielschluss keine schweren Ausschreitungen zwischen den rivalisierenden Fans gab: Die Stimmung war bei vielen Löwen- und Bayern-Fans schon ab dem Nachmittag extrem angespannt. In der Stadt und dann auch auf dem Weg ins Stadion.
Es gab bis zum Abpfiff keine Verletzte an den insgesamt vier brisanten Brennpunkten.
Brennpunkt 1, Viktualienmarkt:
Bereits ab 14 Uhr versammelten sich hier einige hundert Bayern-Fans, mit rund 100 Ultras von der „Schickeria". Laut eigenem Motto zum 108. Geburtstag des FC Bayern, war der Verein doch am 27. Februar 1900 gegründet worden. Von einer friedlichen Party-Stimmung war wenig zu spüren, die Stimmung war sehr gereizt. Es gab laute Schmähgesänge gegen die Löwen und frenetischen Jubel, als Gleichgesinnte oben auf der Aussichtsplattform vom Alten Peter eine Bayern-Fahne aufhängten. Auf Jacken und T-Shirts standen „Euer Hass ist unser Stolz" und „Giesing ist rot".
Dann wurde es aggressiv. Reporter und Fotografen wurden bedrängt, die Ultras skandierten Sprechchöre wie „Die Presse, die Presse, die kriegt was auf die Fresse." Dann wollte eine Handvoll Fans die Absperrung der Polizei durchbrechen, hin zu den Löwen-Fans am Sendlinger Tor. Doch weit kamen sie nicht.
Brennpunkt 2, Sendlinger Tor:
Treffpunkt der Löwen-Fans und der Ultras der „Cosa Nostra". Mit rund 300 Fans, viele davon stark alkoholisiert. Auch hier aggressive Stimmung. Es gab die handelsüblichen Sprechchöre von wegen „Tod und Hass dem FCB". Dann, gegen 17 Uhr, zündeten die Löwen-Fans einen Bayern-Schal an. Beamte schritten ein, dann flog die erste Flasche, die einen Polizeibus traf. Nur zwei Minuten später war das USK da, kompromisslose Spezialbeamte vom Unterstützungskommando der Polizei und griff rigoros durch. Sie nahmen vier Löwen-Fans in Gewahrsam, postierten sich dann im Zwischengeschoss des U-Bahnhofs.
Brennpunkt 3, die U-Bahn:
In Sonderzügen wurden die Ultras nach Fröttmaning gebracht. Die Bayern ab Marienplatz und ab Odeonsplatz. Auch hier wurde es laut. Die Fans traten auf der Fahrt gegen die Türen, trommelten gegen die Scheiben der wackelnden Wagen. Zu Bruch ging nichts. Anders als im Löwen-Zug. Dort fliegen Fäuste. Gegen Türen und Scheiben.
Zwischen Giselastraße und Münchner Freiheit drückten wütende Fans die Fensterscheibe einer Tür ein. Der Zug wurde an der Münchner Freiheit angehalten, komplett entleert, es kam ein Sonderzug. Dort das gleiche Spiel, gleich nach dem Nordfriedhof. Auch hier ging eine Scheibe zu Bruch. An der Studentenstadt musste der Zug wieder geräumt werden, wieder kommt ein Ersatzzug. Manche der Fans fühlten sich als Helden und erzählten stolz von ihren Taten: „Wir haben Scheiben eingeschlagen und den Zug demoliert." Viel Fluchen in den Zügen dahinter, der gesamte Betrieb war blockiert. Wer um 18 Uhr am Marienplatz in die U6 stieg, war erst um 19 Uhr in Fröttmaning. Normale Fahrzeit: 15 Minuten.
Brennpunkt 4, das Stadion:
Fans, die mit Bussen anreisen, wurden von der Polizei vom Parkplatz ins Stadion eskortiert. Die Trennung zwischen den Fangruppen funktioniert gut, im Oberrang der Nordkurve zündeten Löwen-Fans eine Rauchbombe. In der Südkurve ließen die Bayern-Fans mit einer imposanten Choreographie noch einmal den Jubilar zum 108. hochleben. „Ganz München feiert das Geburtstagskind", stand zu lesen, „und auch ihr sollt ein Stück vom Kuchen abhaben."