Im AZ-Interview: Rekordathletin Birgit Fischer
Sie ist Deutschlands erfolgreichste Athletin, jetzt aber wegen Herzproblemen nicht am Start. Hier rechnet Birgit Fischer (50) mit dem modernen Olympia ab – und denkt doch an einen Start 2016
AZ: Frau Fischer, Sie mussten aufgrund einer Herzmuskelentzündung auf die Olympischen Spiele in London verzichten – es wären ihre siebten gewesen. Wie verläuft Ihre Genesung?
BIRGIT FISCHER: Ich hatte am Montag ein Abschlussgespräch mit meinem Arzt – wir sind auf einem guten Weg, ich trainiere auch wieder. Alles ist in guten Händen.
Sie haben von „Wohlfühl-Paddeln” gesprochen – mehr durften Sie in den vergangenen Monaten nicht machen.
Ich bin ein bisschen auf dem Wasser herumgetrieben, ja. Ich musste ja meine Kanu-Kurse weiterführen.
Fühlen Sie sich jetzt wieder vollkommen gesund?
Ich wollte die Krankheit nicht wirklich wahrhaben, insofern war das schon schwierig. Da waren die Herzrhythmusstörungen, ja, aber ich wusste: die krieg ich in den Griff. Ich habe die Füße so lange wie notwendig still gehalten und kann jetzt wieder loslegen.
Haben Sie schon neue sportliche Pläne gefasst?
Mir geht es nicht mehr darum, irgendetwas zu erreichen. Ich möchte ganz einfach sportlich durchs Leben gehen und körperlich fit bleiben.
Auch nochmal bei Olympia. Bei den nächsten Spielen 2016 sind sie 54 Jahre alt.
Ich habe im Laufe der Jahre gelernt: Man darf nie nie sagen. Aber Deutschland braucht mich nicht in dieser Mannschaft, das ist mir sehr bewusst geworden dieses Jahr.
Trotzdem denken Sie an einen Start?
Vielleicht nicht für Deutschland.
1980 sind Sie erstmals bei Olympia gestartet – in Moskau. In der Zeit des kalten Krieges waren das keine einfachen Spiele – ähnlich hoch sind die Sicherheitsvorkehrungen jetzt in London.
Auch damals hat man Uniformierte gesehen, die uns bewacht und beschützt haben, ja. Ich glaube allerdings nicht, dass das die Idee von Pierre Coubertin war. Und ich denke auch nicht, dass es die Lieblingsbeschäftigung des IOC ist, Wachpersonal aufzustellen. Aber leider entwickelt sich unsere gesamte Gesellschaft dahin, dass das notwendig ist. Das ist kontraproduktiv für den Sport. Durch die Sicherheitsvorkehrungen hat man immer ein beklemmendes Gefühl. Olympia läuft aus dem Ruder. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Sportler in London wohlfühlen.
Ihre schönsten Erinnerungen an Olympische Spiele?
Was das Flair und das Zusammentreffen betrifft: 1992 in Barcelona. Das waren so leichte Spiele. Das Wetter stimmte, das Olympische Dorf lag am Meer. Dazu tolle, normale Wettkämpfe. Aber auch das Olympische Dorf in Seoul 1988 war ein besonderes Erlebnis, es hatte so viel traditionelles asiatisches.
Wie beurteilen Sie die sportliche Entwicklung Olympias?
Ich finde das gesamte olympische Programm überdenkenswert – da geht man in eine ganz merkwürdige Richtung. Es werden Sportarten dazugenommen, neue Disziplinen, das ist manchmal nicht bis zum Ende durchdacht.
2000 in Sydney haben Sie die deutsche Fahnen getragen. Konnten Sie das genießen?
Nein, absolut nicht. Ich wusste nicht, wohin ich laufen soll, ich hatte die Proben nicht mitgemacht, weil ich da noch gar nicht in Sydney war. Es war etwas merkwürdig. Ich bin dann rein ins Stadion und schon hat mich jemand woanders hingeführt. Ich hatte keine Ahnung, was den Ablauf betraf.
Der Starkult bei Olympia wird immer größer, Athleten wie Usain Bolt oder Michael Phelps sind über den Sport hinaus überaus präsent.
Das widerspricht dem olympischen Gedanken. Damals waren wir keine Profis, keiner sollte mit seinem Sport Geld verdienen. Aber gut, vielleicht gibt es auch wieder Jugendliche, die sich an den großen Stars orientieren und ihnen dann nacheifern.
Zuletzt hat die Fechterin Imke Duplitzer den DOSB und seine Funktionäre scharf kritisiert,
Was hat sie denn gesagt? Ich lebe hier ohne Fernseher und höre kaum Radio. Eine Zeitung habe ich meistens auch nicht. Was das betrifft, bin ich wohl ein bisschen weltfremd.
Auch Gold-Anwärter Robert Harting hat die Entlohnung der meisten deutschen Athleten infrage gestellt. Haben Sie für sich die Bezahlung als gerecht empfunden?
Ich komme noch aus einer Zeit, in der wir nicht versucht haben, Geld zu verdienen, sondern Spaß zu haben. Und ich habe auch versucht, mir das bis zum Ende zu erhalten. Im Westen war das Ganze ein bisschen teurer als im Osten, das hat man schnell mitbekommen, da musste ich mir auch ein paar Sponsoren suchen. Aber mein Bestreben war nie, reich zu werden. Davon abgesehen habe ich das auch nie geschafft. Aber das ist auch gut so. Ich habe mich nie an den Sport geklammert, das hat dem Kopf und der Persönlichkeit sicher nicht geschadet.
Wie werden Sie jetzt die Olympischen Spiele verfolgen?
Ach, ich werde ab und zu im Internet die Nachrichten verfolgen. Ich bin aber auch kein guter Zugucker.
Also besteht nicht die Gefahr, dass zu Beginn der Spiele nicht doch Wehmut aufkommt?
Nein. Mit Wehmut hab’ ich nichts am Hut!