„Ich mache mir Sorgen um 1860“
Wieso Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, Aufsichtsrat der TSV 1860, trotz der Löwen-Krise weiter auf Trainer Marco Kurz und den Manager Stefan Reuter setzt.
AZ: Herr Ude, es macht den Eindruck, dass sich beim TSV 1860 alle händchenhaltend in Richtung Dritte Liga bewegen: Der Verein ist Zweitliga-Letzter und dennoch herrscht Frieden. Täuscht der Eindruck?
CHRISTIAN UDE: Die Lage ist nach drei verlorenen Spielen und dem Tabellenende als Startposition tatsächlich denkbar schlecht, aber ich glaube, dass ein Aufsichtsratsmitglied des Vereins den Profis keine öffentlichen Ratschläge geben sollte, weil wir es auch nicht besser machen können.
Und aus Sicht des Fans und Oberbürgermeisters?
Natürlich mache ich mir Sorgen um 1860, zumal wir zwei starke Vereine in der Stadt brauchen, schon allein wegen der Allianz Arena. Eigentlich ist der Traum, dass beide Vereine in der Ersten Liga spielen oder zumindest, dass beide in ihrer Liga jeweils eine gute Figur abgeben.
Die Bayern haben sich mit dem 4:1 über Hertha BSC in der Bundesliga wieder gefangen, während 1860 im Jahr 2008 von 20 Spielen nur zwei gewonnen hat...
Richtig, 1860 enttäuscht zum Saisonstart gewaltig, während es im letzten Jahr umgekehrt war. Ich hoffe, dass wir diesmal zum Ende hinaus zulegen. Leider gibt es kein Patentrezept, um nach oben zu kommen, schon gar nicht, wenn man so bescheidene finanzielle Mittel wie 1860 hat.
Andere Klubs haben auch kleine Budgets, stehen aber weit vor den Löwen. Werden Sie einschreiten, falls die Löwen nicht aus dem Tabellenkeller rausklettern?
Es versteht sich von selbst, dass es nicht sein kann, dass sich 1860 am Tabellenende gemütlich einrichtet. Dafür braucht 1860 keinen Oberbürgermeister im Aufsichtsrat. Aber die Methode, die sich manche so vorstellen, mit der Faust auf den Tisch zu hauen, einen Neuanfang zu fordern oder sogar den Trainer hinauszuwerfen, das geht so einfach nicht. Zum Spiel gegen Duisburg am Montag kann ich leider nicht kommen, weil ich in Berlin bin.
Stehen Sie noch uneingeschränkt zu Trainer Marco Kurz und Sportdirektor Stefan Reuter, die mittlerweile beide schwer in der Kritik stehen?
Ich halte Reuter weiterhin, schon aufgrund seiner Biografie, für einen hochkompetenten Mann und Sympathieträger. Einen wie ihn hat der Verein bitter nötig. Und Kurz hatte ja auch durchaus erfolgreiche Phasen, in denen er bejubelt worden ist. Mir ist in der Fußball-Welt das „Hosianna!“ und „Kreuzigt ihn!“ zu nah beieinander. Das habe ich auch bei anderen gesehen, die jetzt wieder ganz vorne stehen.
Wen meinen Sie?
Jürgen Klinsmann. Was zeitweise über ihn gehöhnt und gespottet worden ist, war doch nicht mehr feierlich. Jetzt ist er plötzlich der perfekte Trainer für den FC Bayern. Ich bin schon mangels fußballerischer Kompetenz keiner, der den Daumen wegen einer Pechsträhne nach unten hält. Und genau das gilt auch für meine Löwen.
Aber wie sehen Sie die Entwicklung seit dem Abstieg 2004?
Ich müsste lügen, wenn ich in den ersten drei Spielen etwas Ermunterndes rauslesen konnte, andererseits muss ich sagen, dass mich und auch andere die Jugendarbeit bei 1860 überzeugt. Das Reservoir an Nachwuchstalenten ist unglaublich, was aber leider nicht kurzfristigen Erfolg bringen kann.
1860 ist finanziell schwer angeschlagen, muss bis zum Jahreswechsel bei der DFL eine Eigenkapital-Zufuhr von 1,5 Millionen Euro nachweisen, um nicht gegen die Lizenz-Auflagen zu verstoßen.
Ganz grob gesagt, fehlt uns ein Betrag in Millionen-Höhe, das ist richtig. Umso wichtiger wäre es jetzt, wenn wir Erfolge auf sportlichem Gebiet erzielen könnten. Das würde es dem Verein leichter machen, Geldgeber zu finden, seien es Anleger oder Sponsoren.
Interview: Oliver Griss