"Ich mach’s wie Ali"
Vitali Klitschko kehrt nach vier Jahren Pause mit 37 in den Ring zurück: Wieso er Angst hat, warum er siegen wird und was seine Frau vom Comeback hält.
AZ: Herr Klitschko, Floyd Patterson, der als erster Schwergewichtler der Welt den ehernen Grundsatz „They never come back" („Sie kommen nie zurück") durchbrechen konnte, sagte einst, dass sein Erfolgsrezept die Angst gewesen sei. Die Angst zu verlieren, habe ihn angetrieben, ein immer besserer Boxer zu werden. Wieviel Angst haben Sie vor Ihrem Comeback am Samstag gegen Weltmeister Samuel Peter?
VITALI KLITSCHKO: Ich muss sagen, Floyd Patterson war ein sehr kluger Mann. Denn es ist die Angst, die unsere Überlebensmechanismen aktiviert, die uns - betrachtet man die menschliche Evolution - das Überleben gesichert hat. Ohne Angst wären wir schon lange nicht mehr hier. Aber Angst ist wie das Gift einer Schlange. Sie kann dich lähmen, aber in der richtigen Dosis wirkt sie als Gegengift. Ich bin nicht gelähmt, aber meine Sinne sind geschärft. Angst kann somit - wie Patterson richtig sagt - ein Top-Motivator sein.
Sie sind jetzt 37 Jahre alt und standen vier Jahre lang überhaupt nicht im Ring. Da müssen Sie doch quasi Ringrost angesetzt haben!
Ich würde gerne mit einem Beispiel antworten: Als Henry Maske nach elf Jahren in den Ring zurückkehrte und gegen Weltmeister Virgil Hill antrat, dachten alle, Maske hätte keine Chance. Er gewann. Ich war nur vier Jahre weg. Ist es besser, elf Jahre durchzuboxen oder elf Jahre Pause zu machen? Die Antwort auf Ihre Frage werden wir am Samstag kriegen.
Samuel Peter gilt als einer der härtesten Schläger des Schwergewichts. Er schlug auch Ihren Bruder Wladimir drei Mal zu Boden.
Ja, er kann schlagen, aber das kann ich auch. Ich bin ein Veteran im Ring. Wenn ich an solche Kämpfe denke, denke ich an Muhammad Ali, der nach einer langen Pause zurückkam gegen den amtierenden Weltmeister George Foreman. Der Ringfuchs, der Veteran gegen den ungestümen Schläger. Das Ergebnis ist bekannt.
Sie machen’s wie Ali? Er knockte Foreman aus, nachdem dieser sich mit wilden Schlägen ausgepowert hatte.
Genau, ich mach’s wie Ali. Mein Trainer Fritz Sdunek und ich haben für Peter einige Geschenke vorbereitet. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie ihm gefallen werden.
Peter und Sie scheinen sich ohnehin nicht zu mögen, bei allen Pressekonferenzen geraten Sie aneinander.
Er kam viel zu spät, fast eine Stunde, sowas macht mich sauer, weil es respektlos ist. Dann machte er so ein böses Gesicht. Glaubt er, er kann mich erschrecken? Vielleicht kleine Kinder, aber nicht mich. Dann brachte er noch Bodyguards mit. Hat er so viel Angst vor mir? Ich werde sicher nicht bei einer Pressekonferenz das Kämpfen mit ihm anfangen. Das wäre sehr blöd. Für einen Fight dort bekommen wir kein Geld. Diese ganzen Spielchen fand ich daneben, deswegen musste ich es etwas auflockern, aber er fand das gar nicht so lustig. Sein Problem, nicht meines.
Ein Problem mit Ihrem Comeback an sich hatte Ihr wohl größter Fan, Ihre Ehefrau Natalie.
Oh, müssen wir wirklich darüber sprechen?
Auf jeden Fall.
Okay. Ja, sie war nicht begeistert. Wir haben lange und viel diskutiert. Aber, und ich will hier nicht als Macho rüberkommen, am Ende einer langen Diskussion muss es ein Schlusswort geben. Und das letzte Wort, wenn es um meine sportliche Karriere geht, habe ich, nicht meine Frau. Aber ich habe ihr versprochen, dass ich keinen Altersrekord im Boxen aufstellen werde.
Zuletzt im Trainingslager beim Stanglwirt in Going mussten Sie ebenfalls Überzeugungsarbeit bei Ihrer Frau leisten.
Oh, ja. Unser Sohn Ygor, er ist acht, hat dort seinen ersten Fallschirmsprung gemacht. Aber ich muss zugeben, ich habe meine Frau vorsichtshalber erst nach dem Sprung angerufen. Sie hat geschimpft. Das beste Mittel dagegen: Ich gab das Handy an den Kleinen weiter: „Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie toll das war, Mama. Es hat so viel Spaß gemacht. Vielen Dank, Papa, vielen Dank." Als sie das hörte, war sie besänftigt und ich kam mit einer kleinen Rüge davon.
Dürfte Ihr Sohn Boxer werden?
Boxen ist gut für Charakter, Körper, Geist und Seele. Aber als Profi, das muss nicht sein. Da bin ich wie meine Mutter, die für ihre Söhne auch lieber was anderes wollte. Dass sie Arzt oder Wissenschaftler werden. Ygor macht Taekwondo. Das finde ich gut, da kommt er auch mit fernöstlichen Lebens-Philosophien in Berührung, da wird der Respekt vor Älteren sehr betont. Solche Dinge passen sehr gut in unsere Erziehung. Aber Box-Profi? Lieber nicht, dieser Job ist ein richtig hartes Brot.
Jetzt können Sie und Wladimir sich einen großen Traum erfüllen: Sie beide können gemeinsam, als erstes Brüderpaar der Welt, Schwergewichts-Weltmeister sein.
Ja, wir haben uns nahezu all unsere Träume erfüllt, dieser ist noch übrig. Jetzt werden wir auch diesen wahr werden lassen. Das ist das Geschenk, das wir uns selber machen wollen. Unsere Mutter hat mir mit meinem kleinen Bruder Wladimir das beste Geschenk der Welt gemacht. Immer, wenn Wladimir Geburtstag hat, schicke ich meiner Mutter einen Blumenstrauß und eine Dankeskarte – für das Geschenk Wladimir. Jetzt wollen wir uns beide beschenken und unseren großen sportlichen Traum erfüllen.
Interview: Matthias Kerber
- Themen:
- Vitali Klitschko