"Ich hätte was reißen können“
MÜNCHEN - Stephan Keppler träumte von einer Medaille bei der Heim-WM in Garmisch. Nach Sturz und Operation fällt der Münchner lange aus. Der Frust bei ihm und Alpin-Chef Maier ist groß
Er hatte Hoffnungen, berechtigte Hoffnungen. Nach vielen Jahren mit nur mittelmäßigen Platzierungen war Stephan Keppler in diesem Winter an das Niveau der besten Skirennläufer der Welt herangefahren, für die WM in Garmisch, dem großen Höhepunkt dieses Winters, hatte er sich im Super-G mit Recht eine gute Platzierung zugetraut. Doch seit seinem schweren Sturz auf der Lauberhorn-Abfahrt in Wengen ist dieser Traum geplatzt.
Inzwischen wurde Keppler in der Wohlfahrtklinik in Gräfelfing erfolgreich operiert, und am Mittwoch darf der Münchner auch schon wieder heim, doch seinen tiefen Frust nimmt er mit. „Es ist nicht die Verletzung, die ist nur eine Kleinigkeit. Es ist der Zeitpunkt, der ist ganz bitter, und der trifft mich hart“, sagte Keppler der AZ. „Ich hatte das Gefühl, dass ich bei der WM etwas hätte reißen können.“
Wolfgang Maier, Alpin-Direktor des Deutschen Skiverbandes, ergänzte dazu: „Für uns wäre es ein großer Erfolg gewesen, bei der Heim-WM unter die ersten Zehn oder sogar die ersten Fünf zu fahren. Ich denke, Stephan hätte das drauf gehabt.“ Und Orthopäde Erich Rembeck, der Keppler behandelt, sagte der AZ: „Stephan war gerade dabei, ganz oben an die Spitze ranzukommen“.
Für das deutsche Männerteam kommt die Verletzung des 27-Jährigen, der kurz nach seinem Sturz von einem „Mega-GAU“ sprach, einem Albtraum gleich. „Wir wollten vor drei Jahren ein Team aufbauen, mit dem wir uns bei der Heim-WM behaupten können. Aber nach den Kreuzbandrissen von Tobias Stechert und Andreas Strodl und der jetzigen Verletzung von Stephan stehen wir vor einem Trümmerhaufen“, betont Maier, der sein Unglück so kurz vor der WM kaum zu fassen scheint. „Im Grunde“, stellt er fest, „ist damit die Arbeit von mehreren Jahren kaputt."
Und deswegen reagiert er auch genervt auf die zuletzt laut gewordene Kritik, wonach die schweren Verletzungen der besten DSV-Athleten womöglich nur eine Folge ihrer mangelhaften technischen Ausbildung seien. Maier erklärt: „Stephans Unfall hat nichts mit seiner Skitechnik zu tun. Man erwartet von uns immer, ganz nah ranzukommen an die Weltklasse und volles Rohr zu fahren. Dieses Mal ist er zu sehr ans Limit gegangen, das kann man ihm aber nicht vorwerfen. Stephan war zuletzt jedes Mal unter die ersten Zehn gefahren. Wenn man an die Weltspitze rankommt, dann fährt man auch besser Ski. Dann klappen Dinge, die sonst nicht gelingen. Und all das hat seine Risikobereitschaft gesteigert."
Keppler trösten diese wohlwollenden Analysen nur wenig. Der Abfahrer hat sich zwar mit seiner Verletzung, einem Syndesmosebandriss im Sprunggelenk und einem Innenbandriss am Knie abgefunden. Auch der ausgeschlagene Schneidezahn seines Unterkiefers, wegen dem er sich am Abend nach dem Sturz fast eineinhalb Stunden in Behandlung befand, wurde ihm inzwischen ersetzt. Doch wenn er sich seinen Sturz bei Youtube noch mal ansieht, muss er feststellen: „Ich ärgere mich wahnsinnig über diesen Moment. Es war nicht mal ein Fehler von mir. Mir kamen zwei Bodenwellen dazwischen. Ich war riskant unterwegs, aber nicht fahrlässig.“
Auch wenn sein WM-Traum vorbei ist und er in diesem Winter kaum noch realistische Chancen auf eine Rückkehr hat, er selbst will das nicht wahrhaben und sagt: „Wenn mit der Reha alles klappt, kann ich in acht Wochen beim Welt-Cup-Finale zurücksein. Ich will dort meinen Startplatz für nächste Saison sichern.“
Marco Plein