Hochprozentiger Abschied: Eierlikör, Gold, Schnaps

Ruhpolding - Am Sonntagfrüh um acht sind sie schon wieder da. Einige von ihnen haben vor ein paar Stunden noch die Ruhpoldinger Nacht unsicher gemacht und für den wohl höchsten Tagesumsatz in der mehr als tausend Jahre alten Geschichte des Ortes gesorgt. Und nun, im Nieselregen, schlagen sie sich in aller Herrgottsfrüh um die besten Plätze an der Strecke, nur um ihrem Star noch ein letztes Mal richtig nah sein zu können. Die Geschichte von Magdalena Neuner und ihren Fans ist eine lange, eine besondere Beziehung, die bald in ein neues Stadium übergehen wird. Einen der schönsten Tage erlebten beide Seiten am goldenen Staffel-Samstag.
6000 Menschen samt Deutschland-Fahnen passen in den Champions Park, und die Siegerehrung der Frauen-Staffel verfolgen alle draußen statt in einer der vielen Party-Hütten. Sie sehen vorab die zwölf Can-Can-Tänzerinnen des SV Ruhpolding, die „Boogie Magics” aus Hohenbrunn-Riemerling, den Trophäen-Künstler Franz Ringsgwandl und später noch LaBrassBanda-Rockstar Stefan Dettl samt Band. Gekommen sind sie aber vor allem wegen ihr: der weltweit erfolgreichsten Biathletin Magdalena Neuner. Doch auch ihre zwölfte WM-Goldmedaille treibt ihr nicht den Hauch einer Träne ins dezent geschminkte Auge, anders als Andrea Henkel, die bei der Hymne schon verdächtig oft blinzeln muss. Vor der Bühne verfolgt Familie Neuner die Zeremonie, Mama Margit, Papa Paul und Oma Dora samt Deutschland-Fähnchen. Nur ganz kurz ist Zeit für eine Umarmung, dann muss die Tochter schon wieder weiter.
Auch nachmittags beim Staffel-Rennen hatte sie es eilig. Gezwungenermaßen, denn sechs Fehlschüsse brachten ihr reichlich Nachlader und eine Strafrunde ein. Diesmal waren es ihre Teamkolleginnen – die sich gegenseitig immer „Die Mädels” nennen –, die Platz eins sicherten: Tina Bachmann mit nur einem Schießfehler, Miriam Gössner mit drei Nachladern und einem Sturz an einer Werbepylone und Andrea Henkel mit null Fehlern und so viel Vorsprung, dass sie mit Deutschland-Fahne ins Ziel lief.
Unterwegs an der Strecke hatte ihr Trainer Fritz Fischer auf Knien Dank und Anerkennung statt Schussbilder zugerufen. Es war das achte WM-Staffel-Gold für den DSV, der erste Staffelsieg des Winters. Sogar der eher stoische Chef-Trainer Uwe Müssiggang riss begeistert die Arme hoch. 28000 Fans sangen minutenlang „Oh, wie ist das schön”. Und die Sonne schien dazu.
Später am Abend, beim Kurz-Besuch des Gold-Quartetts im DSV-WM-Treff, gab es wieder Einblicke in den Alltag einer zwölffachen Weltmeisterin. „Im Zimmer haben wir erst mal einen Schnaps getrunken, einen ,Hirschkuss’", plauderte Neuner aus. Eierlikör zur Beruhigung, Schnaps zur Goldmedaille – was ist da los in der WM-WG Neuner/Gössner? Neuner erklärt: „Mei, wir hatten gar nicht so viel dabei: sechs Fläschchen halt, für jeden Wettkampf eins. Wir haben dann aber ziemlich viel geschenkt bekommen und das alles auf einen Tisch gestellt. Jeder, der zu uns rein kommt, sieht zuerst den Tisch voller Schnaps. Aber es ist alles noch voll! Naja, ein paar Kleine haben wir probiert... Das klingt jetzt schlimm, aber wir sind auch zwei Wochen hier, und es gab ja ständig was zu feiern.” Sorgen müsse man sich jedoch nicht machen, meinte Neuner: „Eben haben wir beim ZDF ein halbes Glas Sekt getrunken – und es schon gemerkt.”