Hier wird das Lachen trainiert
INGOLSTADT - Optimist, Philiosoph, Dirigent: Ex-Bayern-Star Thorsten Fink will mit dem FC Ingolstadt in die Zweite Liga aufsteigen – und als Chefcoach an die Säbener Straße zurückkehren.
Die Resi hat ja schon viele Trainer erlebt. Seit 1983, einem Vierteljahrhundert, so lange hilft die Hausfrau schon im Ingolstädter Fußball mit. Früher noch beim MTV, und nach dessen Zusammenschluss mit dem ESV seit 2004 beim neu fusionierten FC Ingolstadt. 57 ist Resi Kick jetzt, und wie früher wäscht sie auch heute noch die Trikots der Spieler, macht ihnen Kaffee, backt Kuchen, und wenn wieder lange Busfahrten zu den Auswärtsspielen anstehen, dann schmiert Therese Kick den Spielern und Betreuern auch die Wurschtsemmeln.
Und doch ist seit drei Monaten alles anders, alles besser, vielleicht so gut wie nie.
"Es ist viel lustiger geworden"
„Seit der Thorsten da ist“, sagt sie und wirft in ihrer Waschküche unter der Haupttribüne noch eine Maschine an, „ist’s viel lustiger“.
Der Thorsten ist der Thorsten Fink. Seit Anfang Januar ist er Trainer in Ingolstadt. Unter Vorgänger Jürgen Press war die Stimmung trist, er beschimpfte schon mal Stadt, Stadion und Zuschauer, die Laune im Verein war am Boden. „Als ich hierhergekommen bin, da durfte keiner lachen“, sagt Fink in der kleinen Schiri-Kabine neben Resi Kicks Waschküche. „Und das ist ganz schlecht.“ Fink, der Optimist, der Positivdenker, brachte der Mannschaft wieder das Lachen bei. Und damit kam auch der Erfolg.
In den sechs Spielen unter Fink ist Ingolstadt ungeschlagen. Fünf Siege und als Tabellenführer der Regionalliga Aufstiegsfavorit in die Zweite Liga.
Ein Leben zwischen dritter und zweiter Liga, eigentlich kein Terrain für einen wie ihn mit seinen 367 Bundesligaspielen, 140 davon für die Bayern und einem Champions League-Sieg 2001. Wo die Gegner Aalen und Burghausen heißen, nicht Arsenal und Barcelona. Wo am Spielort, beim alten MTV in der Friedhofstraße, meist Grabesstimmung herrschte.
"Ich will kein Gnadenbrot, ich will etwas aufbauen"
Wo sie im Sommer umziehen werden auf den maroden ESV-Platz der alten Eisenbahner, gleich neben den Zuggleisen, wo auf den Stehplätzen das Gras wächst und sie das Stadion der Lizenz halber jetzt notdürftig herrichten, bevor sie 2010 einen ganz neuen Sportpark bekommen. „Ich hätte es mir auch einfach machen können“, sagt Fink. Als Co-Trainer, der er war, auf den Chefposten in Salzburg hoffen, wenn Giovanni Trapattoni im Sommer nach Irland geht. Ein anderes Angebot aus Österreich annehmen oder das der Bayern, als Scout zu arbeiten. „Das wollte ich nicht. Ich will kein Gnadenbrot. Ich will hier etwas aufbauen.“ Der Mannschaft etwas einpflanzen. „Das Bayern-Gen“, wie er sagt.
„Das Selbstvertrauen zu zeigen“, sagt Fink, „den Willen, jeden Gegner in die Knie zu zwingen. Jede Mannschaft systematisch auseinanderzunehmen. Das ist wie im Schach.“
Neun Spieltage sind es noch bis Saisonende. Der Konkurrenz um den Aufstieg droht ein Matt in neun Zügen.
Lange spricht er an diesem Nachmittag, plakativ und philosophisch, es hört sich auswendig gelernt an, aber auch überzeugt.
Wenn er sagt: „Wir müssen die Macht haben, den Zufall zu verringern“, und damit meint, dass seine Spieler den Ball immer weit weg vom Tor halten sollen, dass er nicht irgendwie doch ins eigene Tor reineiert.
Wenn er sagt: „Ich erinnere mich am liebsten an die Zukunft.“ Was heißen soll, dass er nicht zehren will von Erfolgen, sondern nur nach vorne schaut.
Wenn er sagt: „Der Ruhm folgt der Leistung wie ein Schatten.“ Den man nicht mehr los kriegt, denn je größer die Arbeit, desto größer die Ehre.
Zwischen Kasparow und Karajan
Oder wenn er sagt: „Der Erfolg liegt nicht allein an mir. Das ist wie in der Musik. Auch ein Claudio Abbado kann aus einer Dorfkapelle kein Weltorchester formen.“ Fink, Schachgroßmeister und Dirigent, zwischen Kasparow und Karajan?
Natürlich einer, der auch mal ganz oben die Gegner matt setzen will, mit einem ganz großen Orchester. „Ich habe immer die höchsten Ziele“, sagt er, „so in 10, 15 Jahren dann bei Bayern? Warum denn nicht.“ Dann aber nicht mehr als Scout. Dann als Cheftrainer.
Und auch wenn er immer wieder betont, dass Ingolstadt „keine Durchgangsstation“ sei, ewig wird er nicht bleiben. Nächste Saison noch, wenn alles gut geht in der Zweiten Liga, wo sie sich sogar auf fünf Heim-Derbies freuen könnten, gegen Sechzig, Augsburg und Fürth, womöglich gegen Nürnberg und auch gegen Haching, je nachdem wie es bei denen wird mit Ab- und Aufstieg.
Mitte 2009 endet Finks Vertrag, dann wird er wohl weiter ziehen, auf seinem langen Weg vom Sportplatz gegenüber vom Ingolstädter Hauptbahnhof zurück zur Säbener Straße.
Irgendwann wird Thorsten Fink dann beim Schuhbeck in der schicken neuen Bayern-Kantine sitzen, und wenn er nach den Spinatgarnelen beim Nachtisch zu den Karotten-Haselnuss-Muffins einen Apfel-Papaya-Drink schlürft, dann wird er sich vielleicht auch mal kurz an damals in Ingolstadt erinnern. An die Wurschtsemmeln von der Resi.
Florian Kinast
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