„Hey, Buddha, ab aufs Bayern-Dach!“

Der kabarettistische Sportjahres-Rückblick: Löwen-Fan Otti Fischer schwärmt von Klinsmann und empfiehlt Manager Hoeneß als CSU-Helfer.
Von Florian Kinast
AZ: Herr Fischer, ist ja viel passiert im Sportjahr 2008. Vor allem hat der FC Bayern in Harlaching mächtig umgebaut. Recht chic, die neuen Wellness-Relax-Lounge-Oasen der Profis. Haben Sie schon mal vorbeigeschaut?
OTTFRIED FISCHER: Nein. Ich meide seit dem Sommer die Säbener Straße wie die Pest, weil dauernd einer daher kommt und zu mir sagt: ’Hey, Buddha, was machst denn Du da? Ab aufs Bayern-Dach!’ Ich finde es sehr bemerkenswert, dass einer, der früher Tonnen am Spielfeldrand zerstört hat, nun vom Geist des Buddhismus getrieben die Truppen in den Kampf jagt.
Die Wandlung des Jürgen Klinsmann.
Was heißt Wandlung! Ich denke, er ist esoterischer als man denkt. Deswegen werden sie auch das Stadion in Fröttmaning auch nie komplett überdachen, weil das wohl einem Feng-Shui-Gedanken zuwider läuft. Man hat beim FC Bayern wohl vorgehabt, einen zu holen, der für die Beatles der Maharishi war. Klinsmann ist der Guru des FC Bayern, auch wenn ein Spiel der Bayern manchmal Ähnlichkeit mit einer Heiligen Messe hat.
Warum das?
Beides ist meistens furchtbar langweilig.
Nur werden die Kirchen immer leerer, die Pilgerstätte der Klinsmann-Jünger in Fröttmaning dagegen ist immer voll.
Ich muss auch neidlos anerkennen, dass es ein genialer Coup von Uli Hoeneß war, einen zu holen, den er nicht leiden kann. Einen, der vor Obrigkeiten keinen Respekt hat, einem, dem es fast gelungen wäre, dem Mayer-Vorfelder im Stadion die Flasche aus der Hand zu nehmen. Vor allem bewundernswert, dass es die Bayern geschafft haben, dass das mit dem Klinsmann nicht vorher bekannt wurde. Wahrscheinlich lag das daran, weil sie es dem Beckenbauer nicht erzählt haben. Da sieht man aber auch, dass den Medien gerade eine Figur wie der Lothar Matthäus fehlt. Manche Dinge treten nicht mehr an die Öffentlichkeit, bevor sie das sollen, und das ist eigentlich schlecht fürs Geschäft. Der FC Hollywood funktioniert ja nur durch Indiskretionen. So wird es einfach zu hermetisch.
Der FC Bayern ist Ihnen so also zu steril.
Steril war er schon immer. Es gibt Ausnahmen. Der Ribéry etwa, der dafür sorgt, dass man auch bei einem ungeliebten Verein gute Leute findet. Oder Mehmet Scholl, eine der letzten Epigonen von Ente Lippens. Bei ihm sind zum Schluss die Fans in allen Stadien aufgestanden.
Das sind sie sogar bei der Abschiedstour von Oliver Kahn.
Kahn ist für mich so bissl was wie die CSU. Wo die CSU bei der Wahl verloren hat, habe ich im ersten Moment Wehmut verspürt. Obwohl ich die CSU nie mögen hab und immer gehofft hab, dass das eintritt, habe ich im ersten Moment gedacht: Verdammt, jetzt ist nix mehr in Bayern, wie es war. Es ist ein Stück bayerischer Identität, wenn auch unliebsamer, verloren gegangen. Das Gefühl hat sich schnell wieder gelegt, aber so war’s beim Kahn auch. Es geht was ab, auch wenn man ihn nicht gemocht hat.
Bleiben wir bei den Marken des Freistaats, dem FC Bayern und der CSU. Beide hatten große Krisen in diesem Jahr.
Beide hatten ein Problem. Sie brauchten irgendwas besonderes an der Spitze. Der FC Bayern fand das Besondere in Jürgen Klinsmann, das war ein Paukenschlag. Nur wenn ich mir da diese Beckstein’sche Nachfolgeveranstaltung in der CSU angeschaut habe, wer da auf einmal Ministerpräsident werden wollte. Ein gewisser Schüttel-Schorsch! Wie armselig das Personal-Puzzle der CSU war, das unterscheidet sie vom FC Bayern.
Kommen wir zu den Rivalen der Großkopferten. Da geben die bayerischen Sozis ein ähnlich trostloses Bild ab wie die Löwen. Welch Fingerzeig, dass die SPD bei der Landtagswahl 18,60 Prozent bekam.
Was 1860 momentan betreibt, bezeichne ich als negativen Triumph. Ich weiß zwar nicht, was das genau bedeutet, aber als Anhänger dieser Mannschaft kann man ja eh nur noch bestehen, wenn man surrealistisch wird. 3:0 zu führen gegen ein Team, das Wehen heißt und dann noch 3:3 zu spielen, das ist ein negativer Triumph, ein Fanal des Fußballs. Das sind Momente, in denen Fußball über seine Dimensionen hinausgeht. Die Sechzger sind nur noch als Symbol zu gebrauchen, als Symbol des Scheiterns.
Sie haben oft über die Lust am Leid ausgesprochen, das den Löwen-Fan auszeichnet.
Wenn ein Sechzger will, dass es ihm wirklich gut geht, dann legt er sich auf ein Nagelbrett. Weil das ist harmloser und tut weniger weh, als den Löwen zuzuschauen. Wenn es Sechzig nicht gäbe oder St. Pauli, man müsste sie erfinden. Oder Nürnberg, auch für die hat man Sympathie, obwohl man dem Verein auch wegen diesem seltsamen Teppichmagnaten eigentlich schnell den Rücken zukehren sollte.
Sie meinen Michael A. Roth, den Präsidenten. Mäzene haben Hochkonjunktur, nehmen Sie nur Dietmar Hopp in Hoffenheim. Der wird angefeindet, weil er sich Erfolg erkauft habe.
Fußball ist nun mal ein Geldgeschäft. Und so lange er es sich leisten kann, finde ich es auch in Ordnung, wenn es ein kleiner Dorfverein schafft, dass der FC Bayern nicht mehr Herbstmeister ist. Nur ist es dem Fan einfach wichtig, dass es mehr menschelt im Fußball als ökonomelt.
Bleiben wir gleich beim Menscheln. Welcher Moment hat Sie im Sportjahr 2008 am meisten berührt?
Das war Matthias Steiner, der Gewichtheber, wie er in Peking das Bild seiner toten Frau geküsst hat. Das hat mich mit einem Schauder erfüllt. Dass er in seinem Tun einen Sinn gesehen hat, sich so seine Frau zu erhalten, das war eine ganz große Geste. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich es nicht gesehen, sondern nur davon gelesen habe.
Haben Sie sonst überhaupt etwas mitbekommen von den Olympischen Spielen?
Gar nix. Ich habe seit sieben Monaten keinen Fernseher mehr eingeschaltet, weil mich das Fernsehen selbst genervt hat. Natürlich hat mich auch die ganze chinesische Nummer schon im Vorfeld genervt, ich war ein gefühlter Olympiaverweigerer. Das lag aber eben nicht nur an der olympischen Geschäftemacherei, an der Menschenrechtsfrage oder an Tibet, sondern daran, dass ich insgesamt eine Fernsehverdrossenheit spüre, die dazu führte, dass die Spiele komplett an mir vorbeigegagen sind.
Als Ausblick auf 2009, worüber könnte der Kabarettist Ottfried Fischer denn lachen im Sportjahr 2009?
Wenn der FC Bayern den Dalai Lama als Hauptsponsor holt, der aber nur orangefarbene Trikots hergeben kann und der FC Bayern dann so schön spielt wie die Holländer. Das wäre nicht mehr der gute alte FC Bayern, aber erheiternd. Ob Fußball und Buddhismus vereinbar sind, ist die andere Frage. Da fällt mir ein, ist der Sagnol noch bei Bayern?
Nicht mehr richtig. Er ist seit Sommer verletzt und denkt schon ans Karriereende.
Der Sagnol hat für mich schon immer den Buddhismus perfekt praktiziert. Der war für mich schon immer halb im Nirwana. Der hat schon immer die Gelassenheit gehabt, ab und zu ein Tor zu kassieren und zu sagen: Hauptsache, dass ich lebe, schön, dass es mich gibt. Ich denke nicht an mich, nur jeder an sich.
Und alle haben sich lieb.
Außer der Uli Hoeneß. Der nimmt das mit dem An-Sich-Denken so ernst, dass er bald durchsetzt, dass der FC Bayern der einzige Verein ist, der noch Geld für die Fußball-Berichterstattung im Fernsehen bekommt. Und die Gegner, die gegen den FC Bayern antreten, bekommen noch eine Brotzeit. Rostbratwürschtl vom Hoeneß. Oder wissen’s, was zum neuen FC Bayern da noch besser passen würde? Ein Schuhbeck’s Fitness-Salat.