Herr Oberst mit Tomate
Wer wird der Superstar der Winterspiele? Die AZ nennt die Kandidaten, die das Zeug dazu haben: Eine Frau, die Feministinnen ärgert. Ein Großmaul aus Norwegen. Oder ein Millionär mit rotem Haar.
VANCOUVER Das Casting haben sie bestanden, natürlich. Aber bei ihnen geht es ja auch nicht ums Olympische Motto. Nur dabei sein beim Finale der Besten, das wäre viel zu wenig. Lächerlich. Nein, sie wollen wirklich abräumen. Bei VSDS. Bei Vancouver sucht den Superstar. Aber wer hat das Zeug zu einem Michael Phelps des Winters, zum herausragenden Athleten der Spiele im Westen Kanadas? Die zehn heißesten Kandidaten im AZ-Check.
LINDSEY VONN
US-Alpin-Star, klagte bereits über den Druck aus der Heimat. „Die phelpsen mich“, murrte sie. Soll heißen: Die ganze Nation erwartet bei ihren fünf Starts fünf Goldmedaillen. Wobei sie jetzt schon Sympathien verspielte. Für das Cover von „Sports Illustrated“ posierte sie in engem Rennanzug und Abfahrtshocke in die Kamera lächelnd. Ui, gab das einen Aufschrei bei amerikanischen Feministinnenverbänden, weil das ja viel zu sexistisch sei. Ein Vorwurf, der nicht prüde war, sondern eher blöd. Aber bei dem Thema haben die Amis manchmal womöglich das, was zu Vonns Rennposition bei der Abfahrt passt. Einen Schuss.
OLE EINAR BJÖRNDALEN
Posiert selten auf Glamour-Titeln. Blasser, schmalschultriger Norweger, wirkt immer recht abgemagert, dabei ist er im Biathlon gefräßig wie kein Zweiter. Fünffacher Olympiasieger mit Appetit auf mehr, dreimal Gold fehlt ihm noch zum Rekord von Landsmann und Langläufer Björn Dählie. Wenn einer haushoher Favorit ist bei den Biathleten, dann Einar. Und sonst keinar.
SHAUN WHITE
Snowboard-Zampano in der Halfpipe. Wegen seiner roten Haare auch „Fliegende Tomate“ genannt. Sunny Boy aus Kalifornien, beliebter Gast auf VIP-Parties in Hollywood, verdient locker zehn Millionen Euro im Jahr. Kürzlich gelangen ihm neuartige Tricks, so genannte Doppelcorks. Da kann der beste Flaschenzieher einpacken, dreifache Drehungen mit doppeltem Salto, letzte Woche steigerte er das alles vor 70000 Zuschauern in Aspen noch auf eine Übung, die sich McTwist 1260 nennt. Dreieinhalb mit doppeltem Salto. Vielleicht macht er bei Olympia ja noch einen McTwist 1860. Den Löwen zuliebe. In jedem Fall werden in der Halfpipe alle nach seiner Pfeife tanzen.
HANNU MANNINEN
Kombinierer, nordischer, für den Olympia das ist, was Wimbledon für Ivan Lendl oder die Fußball-WM für Holland. Für den Sieg hat's nie gereicht. Jetzt wagte der Finne ein Comeback, die Aussichten sind gut. Sein einst schärfster Rivale Ronny Ackermann fehlt, der stichelte schon einmal gegen den Finnen, und zwar nicht nur verbal, sondern tatkräftig mit dem Skistock, gleich nach dem Zieleinlauf. Das gab dann eine TV-wirksame Versöhnung, weshalb man Manninen im deutschen Fernsehen auch mal privat sah. Das reichte aber auch wieder, viel zu sagen hat er eh nicht. Gold abholen, dann heim mit dem Flugzeug zu Heli. So heißt seine Frau. Ach so, warum Ackermann nicht dabei ist? Formschwach. Geht selber am Stock.
PETTER NORTHUG
Berühmtester Sohn von Mosvik, einem Kaff in Nord-Tröndelag. In Norwegen jedenfalls. Letztes Jahr zweimal Weltmeister bei den Langläufern. In der Heimat eher unbeliebt, gilt eher als Großmaul, das Sprüche klopft. Das mag der Norweger nicht. Der mag eher so Björndalens und so. Gilt auch über die 50 Kilometer als Top-Favorit. Das schauen sie in der Heimat gern. Da ist Northug nämlich lange unterwegs. Da hört man ihn nicht reden. Auch im Sprint stark. Da dann eher ein Kurzläufer.
SIDNEY CROSBY
Hätte seine Mama geahnt, dass das Training hilft und dass der kleine Sidney Team Kanada einmal zu Olympia-Gold führen soll, sie hätte ihn sicher nicht so geschimpft, als er mit zwei Jahren im Keller die Waschmaschine schrottete, weil er Pucks in die Öffnung drosch. Der NHL-Star von den Pittsburgh Penguins ist Volksheld, für viele Kanadier zählt bei Olympia eh nur das Eishockey-Turnier. Ski alpin, Biathlon, Langlauf, das hat für sie vergleichsweise den Stellenwert wie bei uns Eierlaufen, Sackhüpfen und Dosenschmeißen zu einer Fußball-WM. Gilt als legitimer Nachfolger von Wayne „the great one“ Gretzky. Der sagte übrigens schon selbst, Crosby sei „the next one“. Crosby hat übrigens ein Jahresgehalt von neun Millionen Euro im Jahr. Und die Mama längst eine neue Waschmaschine.
ARMIN ZÖGGELER
Ja, richtig, der rodelt immer noch. Macht auch nichts anderes, seit er 14 ist, kann mit seinem dritten Olympiasieg den Rekord vom Hacklschorsch einstellen. In Spanien schrieb „El Pais“ kürzlich, dass Zöggeler als Südtiroler weniger die „Sprache von Dante Alighieri“ rede als viel mehr Deutsch. Dafür können die italienischen Reporter aus Rom zwar Dante, aber den Namen ihres Helden im Eiskanal immer noch kaum aussprechen. Forza, Soggelar.
GREGOR SCHLIERENZAUER
Hat schon 32 Weltcup-Siege, vielleicht bald noch zwei Einzel-Gold im Skispringen, in jedem Fall schon auch ein eigenes Modelabel. Mit T-Shirts, Pullis, Jacken, Kappen. Gibt’s in allen Größen. Extra für seine hageren Skisprung-Kollegen auch in XXS.
BODE MILLER
Ewig schlampiges Genie, oft lebenslustig, manchmal mufflig. Wird seine Karriere nach diesem Winter beenden, dann, das hat er gesagt, auf seinem Landsitz in New Hampshire Wein anbauen. Roten und weißen. Ein Triumph noch in Vancouver, auf seine alten Tage? Dann wäre 2010 ein guter Jahrgang. Echte Miller-Spätlese.
JEWGENI PLUSCHENKO
Favorit bei den Eiskunstläufern. Hätte astrein das Zeug zum Russen-Fiesling im James Bond. Charmant, aber eiskalt. Auch mit passender Vita. Geboren in Sibirien, Armee-Oberst, verheiratet mit einer Oligarchin. Es lebe das Klischee. Nach seinem Comeback holte er kürzlich sensationell EM-Gold. Und nun nach Turin 2006 wieder den Olympiasieg? Die AZ prophezeit: Pluschenko wird der Superstar von Vancouver. Vorausgesetzt er springt bei seiner Kür eine neue Übung. Nein, keinen Axel, Rittberger oder Toeloop. Wenn dann schon bitte einen Fünffach-Cork. Samt McTwist 6825.
Florian Kinast