Heimweh nach mu ní he: Wie viel München ist in Peking?
PEKING - Zum Weißwurstfrühstück in Peking – A gscheide Zhu zhou gibt’s auch, Knödel kostet aber acht Yuan extra. Wie der AZ-Oympiareporter in Peking eben mal essen ging - zum Deutschen.
Der Renner ist das Frühstück Nummer liù. Nummer sechs. Ein Paar Münchner Weißwürst’ mit süßem Senf, einer Brezn und einem Weißbier. Weihenstephaner. Das alles im Paket zu 85 Yuan. Runde acht Euro. Kostet auch nicht viel mehr als daheim und ist auch hier in weiter Ferne sehr beliebt. Bei den Menschen aus Peking, die mal recht exotisch beim Deutschen essen wollen. Aber auch vor allem bei denen, die schon lange hier leben und Heimweh haben. Nach mù ní hei. So sagen sie hier zu München.
Natürlich gebe es die Weißwürscht bei ihm den ganzen Tag bis abends um elf, wenn er wieder zusperrt, sagt Michael Peingt, der Geschäftsführer vom „Cafe Konstanz“. „Die Regel, dass die das Zwölf-Uhr-Läuten nicht hören dürfen, gibt’s bei uns nicht.“ Was Wunder, wie sollten sie auch was hören, die Weißwürst. In Peking läuten ja auch kaum Kirchenglocken.
Vor zwei Jahren machte das „Konstanz“ in dem Fachwerkhaus auf, in der Lucky Street, wo Peingt sein Glück fand, denn daheim im Allgäu sah es beruflich eher schlecht aus. Dass der Laden so heißt, liegt daran, dass Peingt den Kaffee immer aus der Stadt am Bodensee bezieht, tatsächlich schaut der Laden aber mitsamt seiner Speiskart’n wie eine Münchner Wirtschaft aus, samt eigener Bäckerei im Erdgeschoss.
Da unten gibt es viele frische Brezn. 50 verschiedene Brotsorten und zwei chinesische Verkäuferinnen, die sich Anna und Sophia nennen, aber wahrscheinlich sagen sie das auch nur, weil das authentischer klingen soll. Echter und europäischer.
Oben dann, im ersten Stock, an den Holztischen, da gibt es die Zhu zhou, die Schweinshaxn, wahlweise mit Brot und Soße zu 90 Yuan, in Euro acht fuchzig, mit Knödel und Sauerkraut acht Yuan mehr, also ein knappes Fuchzgerl. Und das ist immer noch deutlich günstiger als drüben nahe der deutschen Botschaftsschule im „Wirtshaus zum See“, wo Wirt Zheng Ying für die Schweinshaxn 13 Euro verlangt. Zheng hatte früher mal zwei Jahrzehnte lang ein China-Restaurant in Berlin, und weil er jetzt zurück in Peking ist, hat er sich die pfiffige Geschäftsidee mit der bayerischen Küche einfallen lassen. Aber bei ihm, dem Chinesen in Peking, ist es eigentlich nur die Fälschung. Das Original gibt’s im Konstanz.
„Schindler’s Tankstelle“
Vor allem, weil er das Fleisch aus der Metzgerei gleich ums Eck in der Maizidian Street bezieht. Von einem Landsmann. Steffen Schindler. Ein interessanter Mann.
Schindler war früher nämlich mal in der DDR Oberstleutnant der Nationalen Volksarmee, bevor er im Bruderstaat China den Posten als Militärattaché übernahm. Am 13. November 1989. Vier Tage nach dem Mauerfall.
Schindler blieb gleich dort, wurde selbstständig, öffnete sein Lokal „Schindler’s Tankstelle“ und später dann auch seine Metzgerei. „Schindler’s Food Store“. Da verkauft er jetzt Münchner Weißwürste, 100 Gramm für 6 Yuan, gut 50 Cent.
Und schließlich gibt es zwei Blocks weiter, in der Liangmagiao Road auf Hausnummer 50, als klassisch unverwüstliche Anlaufstelle den Paulaner, die Nockherberg-Zweigstelle. Für 68 Yuan sättigt ein Obatzder, der als „Bavarian Cheese Tartar“ erläutert wird, die halbe Weißbier kostet 57 Yuan, umgerechnet ein guter Fünfer. Immerhin selbst gebraut, in zwei riesigen Sudkesseln gleich hinter dem Tresen, mit Wasser und Malz aus Peking, mit Hopfen und Hefe aus Deutschland.
In sein Café Konstanz dagegen lässt Peingt das Bier gleich komplett importieren. Wie lange er noch in Peking bleibt, weiß er selbst nicht. Gibt aber auch nichts, was ihn zurück in die Heimat zieht. „Der Laden läuft gut“, sagt er, während hinter ihm Mary, die Bedienung mit dem auch nicht ganz so chinesischen Namen vorbeihuscht. Links trägt sie einen „riu-shi chang sha la“, also einen Schweizer Wurstsalat, rechts ein Tablett mit einem Kessel „Bai chang“, Weißwürsten, und einem Weißbier, dem „Bai pi“. Und dann gibt es ja noch Bai risch. Aber das verstehen in Peking dann doch die wenigsten.
Florian Kinast