Heike Drechsler: "Mutter zu sein, das setzt Glückgefühle frei"
MÜNCHEN - Nach dem Sensations-Triumph von Kim Clijsters bei den US Open spricht die Olympiasiegerin Heike Drechsler in der AZ über ihre eigene Schwangerschaft, die Gründe, warum Sportlerinnen nach der Babypause wieder erfolgreich sind, über den Schönheitswahn junger Mütter wie Angelina Jolie und Vorwürfe, sie habe die Karriere der Kindererziehung vorgezogen.
AZ: Frau Drechsler, haben Sie die US Open verfolgt?
HEIKE DRECHSLER: Ja, und wenn Sie wegen Kim Clijsters anrufen, dann sage ich Ihnen gleich, ich finde es ganz toll und bewundernswert, wie stark sie nach der Babypause wieder zurückgekehrt ist. Ich denke, sie wird eine gute Schwangerschaft gehabt haben, das ist für den Körper ja auch eine Auszeit, eine Erholung. Und sie ist noch sehr jung, erst 26.
Sie waren ogar erst 24, als Sie 1989 Ihren Sohn Tony zur Welt brachten, die großen Erfolge mit den beiden Olympischen Goldmedaillen kamen erst danach. Als Mutter waren Sie stärker als zuvor.
Da spielte vieles zusammen. Das Alter, weil in jüngeren Jahren die Regeneration schneller geht, die gute Schwangerschaft, auch die Psyche. Als Mutter empfindet man wahnsinnige Glücksgefühle, das setzt noch einmal große Energien frei. Es ist ja auch erwiesen, dass der Körper einer Mutter leistungsbereiter ist.
Eine jüngere amerikanische Studie ergab, dass Frauen in der Schwangerschaft nicht nur mehr rote Blutkörperchen produzieren, sondern auch Progesteron, ein Sexualhormon, das auch Muskeln und Gelenke geschmeidiger macht.
Das ist richtig, aber es kommt eben immer auch Gegenbeispiele. Heike Henkel etwa, die Hochspringerin, konnte nach ihrer Babypause nicht mehr an die Erfolge früherer Zeiten anknüpfen. Oder Schwimmerin Sandra Völker, die noch einmal ein Comeback geben wollte, dann aber aufgab. Die waren beide natürlich auch schon älter, als ich es war.
Beide waren schon jenseits der 30. Aber haben Sie nie an das Karriereende gedacht? Als Sie Ihr Baby im Arm hielten und plötzlich vielleicht neue Prioritäten spürten?
Natürlich. Gerade die ersten vier Wochen waren sehr schwer. Da bist du erst einmal komplett auf Mutter eingestellt, man fängt komplett bei Null an und fragt sich, ob man sich das noch einmal antun will. Aber dann merkt man doch, dass man motiviert ist und der Körper sehr schnell wieder in den Trainingsprozess reinkommt. Ich hatte da auch nie Probleme mit dem Gewicht.
Anders als die Star-Sopranistin Anna Netrebko, die nach der Babypause mächtig draufgepackt hatte. Wobei sie ja auch nicht weit springen und schnell laufen muss.
Aber gut singen, und dazu gehört natürlich auch eine gute Physis und eine gute Muskulatur.
Andere Mütter wie Angelina Jolie oder Gwen Stefani dagegen schauten drei Wochen nach der Entbindung schon wieder so makellos, also genauso unnatürlich steril aus wie vorher.
Das finde ich übertrieben. Die haben ja auch viel Zeit, ihren Körper zu pflegen. Darum ging es mir nicht. Die haben wahrscheinlich auch viele Babysitter. Aber genau das wollte ich ja nicht. Ich hatte nur meine Mama, und wenn es einmal hoch kam, dann waren es vier Stunden, in denen ich meinen Sohn nicht sah.
Mussten Sie manchmal Vorwürfe hören, Sie seien eine Rabenmutter und würden die Sportkarriere dem Mutterleben vorziehen?
Sicher, aber das kommt von Leuten, die keine Ahnung haben, wie man lebt und sich in andere Dinge einmischen. Es war sicher nicht leicht am Anfang, es hat sich ja auch der ganze Lebensrhythmus umgestellt, man schläft nie länger als vier Stunden durch, das ist nicht so leistungsfördernd. Man muss sich da einfach Zeit lassen, warten, bis der Körper wieder bereit ist. Und wenn man so einen kleinen Knopf bei sich hat, dann spürt man natürlich auch diese Verantwortung. Aber genau diese Verantwortung macht einen ja auch stark und aktiviert noch einmal neue Kräfte.
Ihr Sohn lebt noch bei Ihnen zuhause?
Ja. Er macht jetzt das Abitur. Und wenn ich ihn mir anschaue, dann bin ich sehr glücklich. Dann denke ich mir, dass ich so viel wohl nicht falsch gemacht habe.
Interview: Florian Kinast
- Themen:
- Angelina Jolie
- Anna Netrebko
- US Open